Mittwoch, 26. Januar 2005  
  Nazi-Verbrecher in Deutschland gesucht
 
 

Simon Wiesenthal Center startet "Operation Last Chance" / Hohe Belohnungen ausgesetzt

60 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes will das Simon-Wiesenthal-Center die letzten lebenden Naziverbrecher in Deutschland mit Hilfe der Bevölkerung aufspüren. Dazu startete der Chef-Nazijäger des Centers, Efraim Zuroff, die "Operation letzte Chance".

Berlin · 26. Januar · Einen Tag vor den Gedenkfeierlichkeiten des Deutschen Bundestages für die Holocaust-Opfer stellte das Institut aus Los Angeles im Reichstagsgebäude die Aktion vor. Zeugen, die Informationen über bislang unbestrafte NS-Täter besitzen, werden aufgefordert, sich zu melden. Kommt es zu einer Anklage oder Bestrafung, zahlt das Institut eine Belohnung von 10 000 Dollar. "Auch nach so vielen Jahren: Es ist noch möglich, viele Täter zur Verantwortung zu ziehen", sagte Efraim Zuroff. Er schätzt, dass noch tausende von NS-Tätern auf freiem Fuß sind.

Deutschland ist das neunte Land, in dem das Projekt anläuft. Vor zweieinhalb Jahren startete das Institut seine Operation in den baltischen Staaten. Seitdem wurde die Aktion auch auf Polen, Rumänien, Österreich, Kroatien und Ungarn ausgedehnt. Besonders in den ehemaligen Sowjetrepubliken gebe es kaum einen politischen Willen, NS-Verbrechen aufzuklären; "das ist in Deutschland ganz anders", betonte Zuroff, der sich "zuversichtlich" zeigte, mit der Aktion NS-Verbrecher aufzuspüren. Bislang erhielt das Institut die Namen von 329 Verdächtigen, 79 davon wurden letztlich an die zuständigen Staatsanwaltschaften in den acht Ländern weitergeleitet. In Litauen und Lettland wurden daraufhin 18 Strafverfahren wegen Mordverdachts gegen mehr als 40 Verdächtige eingeleitet.

Auch in Deutschland hat das Wiesenthal-Center bereits die Namen von fünf Verdächtigen erhalten. Das heiße aber nicht, dass es sich dabei bereits um Nazi-Verbrecher handele, sagte Zuroff, der die Namen nicht publik machen wollte. Jeder Name, alle Beweise und Informationen würden zunächst genau geprüft werden.

Besonders hat es das Institut auf den NS-Arzt Aribert Heim abgesehen. Er soll im Konzentrationslager Mauthausen hunderte Juden auf grausame Weise getötet haben. Seit 1962 ist er auf der Flucht. Die deutschen Behörden haben 130 000 Euro ausgesetzt.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, begrüßte die Aktion. Er forderte alle Deutschen auf, die Täter kennen, dafür zu sorgen, dass diese gerecht be- und verurteilt würden. "Die Opfer, die noch leben, müssen wissen, dass Gerechtigkeit in Deutschland nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch verwirklicht wird.


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