28. Mai 2008, 16:20

derstandard.at
  Protest gegen Ehrung für ehemaligen Nazi-Arzt
Ärzteverband zeichnete Hans-Joachim Sewering, der an Euthanasie-Programm beteiligt gewesen sein soll, aus
 
 

Jerusalem - Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem hat gegen die Verleihung der Günther-Budelmann-Medaille an dan ehemaligen NS-Arzt Hans-Joachim Sewering durch den Bundesverband Deutscher Internisten scharfen Protest eingelegt. Der Leiter des Büros in Jerusalem, Efraim Zuroff, forderte den Verband am Mittwoch in einer Stellungnahme auf, die Ehrung zurückzunehmen.

"Es ist schon schlimm genug, dass Sewering für seine Beteiligung am nationalsozialistischen Massenmord nicht vor Gericht gestellt worden ist", sagte Zuroff. "Noch schlimmer ist es, wenn man einen SS-Mann und Lügner, der der Gerechtigkeit bis heute entkommen ist, trotz seiner Beteiligung an der Euthanasie auch noch ehrt." Das Wiesenthal-Zentrum habe die bayrische Justiz schon vor Jahren dazu aufgefordert, das Beweismaterial gegen Sewering - ehemaliger Präsident der Bundesärztekammer - nicht länger zu ignorieren und ihn vor Gericht zu stellen.

Der heute 92-Jährige war ab 1933 Mitglied der SS und ab 1934 auch Mitglied der NSDAP. Als Arzt in der Tuberkulose-Heilanstalt in Schönbrunn bei Dachau soll er ab 1942 an dem Euthanasie-Programm beteiligt gewesen sein, in dessen Rahmen behinderte Kinder ermordet wurden. Nach Informationen des Wiesenthal-Zentrums überwies er in den Kriegsjahren sechs bis acht Patienten aus Schönbrunn schriftlich in die Mord-Anstalt Eglfing-Haar. Drei von ihnen wurden dort ermordet.

Die Ermittlungen gegen Sewering waren eingestellt worden, weil er angegeben hatte, von den Tötungen nichts gewusst zu haben. "Diese Behauptung ist falsch", erklärte Zuroff. "Die Schwestern haben von der Ermordung der Kranken gewusst und ausgerechnet der SS-Arzt will es nicht gewusst haben. Das ist lächerlich." Der Internisten-Bundesverband habe "einen SS-Mann und mutmaßlichen Totschläger geehrt", kritisierte Zuroff.

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