05.09.2017 um 16:48 diepresse.com
Ex-Mossad-Agent: KZ-Arzt Mengele entwischte uns zweimal

Rafi Eitan leitete 1960 den Einsatz zur Festnahme des NS-Verbrechers Adolf Eichmann in Argentinien - damals lebte auch der "Todesengel von Auschwitz" in Buenos Aires.

Der KZ-Arzt Josef Mengele ist dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad nach Angaben eines seiner ehemaligen Agenten mindestens zwei Mal durch die Lappen gegangen. Rafi Eitan, der 1960 den Einsatz zur Festnahme des NS-Verbrechers Adolf Eichmann in Argentinien leitete, sagte am Dienstag im israelischen Radio: "Zur Zeit, als wir Eichmann festnahmen, lebte Mengele in Buenos Aires. Wir machten seine Wohnung ausfindig und observierten sie."

Der damalige Geheimdienstchef Isser Harel habe gewünscht, dass das Mossad-Team außer Eichmann auch Mengele ergreife. Er, Eitan, habe jedoch dagegen argumentiert. "Ich wollte nicht zwei Operationen gleichzeitig abwickeln. Denn wir hatten eine erfolgreiche Operation in der Tasche, und wenn Du versuchst, eine zweite vorzunehmen, gefährdest Du meiner Erfahrung nach beide."

"Mengele kehrte nie in seine Wohnung zurück"

Als Kompromisslösung blieb Eitan zur Überwachung Mengeles in Argentinien, während die übrigen Mitglieder des Mossad-Teams Eichmann mit einer El-Al-Maschine nach Israel brachten. "Mengele war nicht zu Hause, und die Nachbarn sagten, er werde in einer Woche zurück sein", sagte Eitan. "Wir warteten eine Woche, doch in der Zwischenzeit ging die Nachricht von seiner (Eichmanns) Gefangennahme um die Welt, und Mengele kehrte nie in seine Wohnung in Buenos Aires zurück.

Eitan fügte hinzu, dass Mengele dem Mossad erneut entwischte, als dieser ihn Ende 1962 auf einer Farm in der Nähe von Sao Paulo in Brasilien aufspürte. Doch Harel sei Anfang 1963 als Mossad-Chef zurückgetreten, und seine Nachfolger hätten einem Einsatz gegen Mengele nicht zugestimmt, weil sie weltweit andere Prioritäten gehabt hätten.

Der heute 90-jährige Eitan äußerte sich zu einem Zeitpunkt, da der Mossad die Unterlagen über die Geheimdienstoperationen gegen den "Todesengel von Auschwitz" genannten Mengele freigab.

Badeunfall in Brasilien

Mengele war im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an der Selektion der neu ankommenden Häftlinge beteiligt und schickte diejenigen, die nicht für die Zwangsarbeit geeignet schienen, in die Gaskammern. Der für seine grausamen medizinischen Experimente berüchtigte KZ-Arzt floh nach dem Zweiten Weltkrieg nach Lateinamerika. Trotz internationaler Fahndung wurde er nie gefasst. 1979 starb er im Alter von 67 Jahren bei einem Badeunfall in Brasilien. Seine Leiche wurde erst 1985 entdeckt.

Eichmann, der seine Jugend in Linz verbracht hatte, war Protokollführer der Wannseekonferenz vom 20. Jänner 1942, auf der die Vernichtung der europäischen Juden koordiniert wurde. In Israel stand er ab April 1961 neun Monate vor Gericht. Das Todesurteil gegen den Organisator der NS-Judenvernichtung wurde im Mai 1962 vollstreckt. Wesentlich zur Festnahme Eichmanns hatte der legendäre, 2005 in Wien gestorbene Nazi-Verfolger und Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal mit seinen Recherchen beigetragen.

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