19. Mai 2008 | 19:15 Uhr

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  Spur zum meistgesuchten Nazi-Mörder?
KZ-Arzt Aribert Heim ist seit 46 Jahren auf der Flucht – seine Steuererklärung wird jedes Jahr eingereicht
Von B. UHLENBROICH und T. FRIEDMANN
 
 

Jerusalem – Seit 46 Jahren ist er auf der Flucht. Ein Netzwerk von Helfern im In- und Ausland schützt den weltweit gesuchten ehemaligen KZ-Arzt und Massenmörder Dr. Aribert Heim (93).

Der Mann mit dem markanten Schmiss im Gesicht ist einer der letzten noch lebenden schweren Naziverbrecher, nach dem immer noch gefahndet wird. Doch jetzt gibt es eine heiße Spur. Sie führt nach Chile.

„Info über Herrn Heim in Chile“ steht in der E-Mail, die das Simon-Wiesenthal-Center in Jerusalem vor zwei Wochen an die Zielfahnder des zuständigen Landeskriminalamtes (LKA)nach Stuttgart schickte. Für die Kriminalbeamten ist diese Spur neu. Denn „Herr Heim“ könnte auch Dr. Aribert Heim sein.

Der ehemalige SS-Arzt soll 1941 im Konzentrationslager Mauthausen (Österreich) Häftlinge gefoltert und ermordet haben. Nach dem Krieg praktizierte er als Arzt in Baden-Baden. Als 1962 Anklage gegen ihn erhoben wurde, tauchte er unter.

Seitdem sein Name seit Kurzem ganz oben auf der Fahndungsliste steht, gibt es neue Hinweise aus der ganzen Welt. Efraim Zuroff, „Nazi-Fahnder“ des Simon-Wiesenthal-Center in Israel: „Seit April sind mehr als 25 Hinweise zu seinem Verbleib eingegangen, darunter 15, die wir ernst nehmen.“ In der E-Mail aus Chile erklärt der Informant, er kenne eine Lehrerin mit dem Namen Heim, diese habe einen Bruder, der in einer Stadt in Chile lebe.

Die deutschen Zielfahnder prüfen nun die Angaben mithilfe chilenischer Behörden. Nach Erkenntnissen der Stuttgarter Beamten muss Heim Helfer im In- und Ausland haben. Die Kriminalisten vermuten, dass er sich mit falschen Papieren und einer neuen Identität in Südamerika aufhält, wahrscheinlich in Chile, wo seine Tochter lebt. Sie glauben, dass Heim in einem Pflegeheim oder im Haus einer Privatperson lebt, da er in seinem Alter medizinische Hilfe benötige.

Ein Fahnder zu BILD am SONNTAG: „Heim verfügt offenbar über große Finanzmittel und konnte deshalb immer wieder untertauchen. Mit dem Geld konnte er bisher das Schweigen seiner Helfer erkaufen. Wegen der hohen Belohnung von 310 000 Euro hoffen wir, dass nun einer seiner Pfleger oder eine ihm nahestehende Person die Mauer des Schweigens durchbricht und uns einen Tipp gibt. Wir sind überzeugt, dass er noch lebt.“

Der Chef des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, Klaus Hiller, versichert: „Wir setzen alles daran, dass Heim lokalisiert und festgenommen wird. Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass unser Rechtsstaat auch nach über sechs Jahrzehnten nach dem Ende des Dritten Reichs die damaligen Täter nicht ungeschoren davonkommen lassen will.“

Der israelische Nazi-Jäger Efraim Zuroff rät, die Belohnung zu erhöhen: „Es würde sicherlich helfen, wenn die deutsche Regierung die Belohnung für sein Ergreifen erhöhen würde. Mit einer Million Euro wäre es wahrscheinlich viel leichter, ihn zu fassen.“

Heims Vermögen wurde von den Behörden eingefroren. Auf seinen Namen sind bei einer Berliner Bank Sparbücher und Wertpapiere im Wert von einer Million Euro deponiert. Das Geld wird von einem Abwesenheitspfleger verwaltet, der jedes Jahr für Heim eine Steuererklärung einreicht. Das Vermögen stammt aus dem Verkauf eines Berliner Mietshauses, das Heim 1958 gekauft hatte.

Seit sieben Jahren gibt es mit den Finanzämtern in Berlin und Heims Abwesenheitspfleger einen Rechtsstreit darüber, ob die gezahlten Kapitalertragsteuern (Steuern auf Zinsen der Bankguthaben) mit den Einkommensteuern verrechnet werden können oder nicht. Denn Heim wird von einem Finanzamt als im Ausland und von einem anderen als im Inland – also in Deutschland – lebend betrachtet. Inzwischen ist das bizarre Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig.

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