01.05.2008

heute.de
  Israel warnt vor Leugnung des Holocausts  
 

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Israel hat anlässlich des Holocaust-Tages vor einer Leugnung oder Verdrängung des Mordes an sechs Millionen Juden während der NS-Zeit gewarnt. Zum Gedenken an die Opfer heulten am Donnerstag im ganzen Land für zwei Minuten die Sirenen.

Landesweit blieb um 10 Uhr (Ortszeit) der Verkehr stehen und Menschen verharrten auf Straßen oder am Arbeitsplatz in stiller Andacht. Einen Tag zuvor hatte das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem eine neue Liste mit den meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrechern veröffentlicht. An erster Stelle der zehn Meistgesuchten steht der als "Dr. Tod" bekanntgewordene SS-Arzt Aribert Heim, der in Südamerika untergetaucht sein soll.
B-Note für Deutschland
Deutschland erhielt bei der Notenverteilung, mit dem das Zentrum die weltweite Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern bewertet, in diesem Jahr ein B, die zweitbeste Note. Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte, zunächst habe man Deutschland die schlechteste Note geben wollen, ein F.
Eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Gebirgsjäger Josef Scheungraber in München im Januar habe aber "alles geändert". Er ist angeklagt, 1944 bei einem Massaker an italienischen Zivilisten teilgenommen zu haben. Die beste Note bekamen als einziges Land die USA. Österreich erhielt ein C.
Premier Olmert warnt
Während der zentralen Gedenkveranstaltung in der Holocaust- Gedenkstätte Jad Vaschem hatte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am Mittwochabend davor gewarnt, den Mord an sechs Millionen Juden zu vergessen oder zu leugnen. Niemand habe geglaubt, dass 63 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft der Hass auf Juden und Israelis "sein hässliches Haupt" an so vielen Orten weltweit erheben könne.
Obwohl viel Zeit seit dem Holocaust vergangen sei, überstiegen die Dimensionen bis heute alle Vorstellungen, sagte Olmert. Israel sage allen Holocaust-Leugnern und hasserfüllten Menschen, dass ein solches Verbrechen nie wieder geschehen werde. Der Regierungschef entschuldigte sich bei Holocaust-Überlebenden, dass der Staat nicht immer seinen Verpflichtungen nachgekommen sei.

Infobox
Alternativer Tag der Shoah
Neben der offiziellen Zeremonie feierten hunderte Israelis am Mittwochabend einen alternativen Tag der Shoah, um gegen die "Instrumentalisierung" des Gedenktages durch die Politik zu protestieren. Seit der Veröffentlichung eines Kontrollberichts über die Lebensumstände von Holocaust-Überlebenden im vergangenen Sommer stehen die Behörden in Israel in der Kritik. Von 250.000 NS-Opfern erhalten mehr als die Hälfte keine staatliche Unterstützung oder Entschädigung. Etwa 80.000 leben nach Angaben einer Hilfsorganisation in Armut.

Tödliche Injektionen
Nach der neuen Liste des Wiesenthal-Zentrums ist der SS-Arzt Heim erstmals der weltweit meistgesuchte Nazi-Kriegsverbrecher. Der gebürtige Österreicher wird beschuldigt, im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen hunderte Häftlinge mit tödlichen Injektionen unter anderem direkt ins Herz umgebracht zu haben. Der 93-Jährige hatte nach dem Krieg unter anderem als Frauenarzt in Baden-Baden praktiziert. 1962 tauchte er vor Vollstreckung eines Haftbefehls unter. Zuroff vermutet, dass der Gesuchte mit Hilfe seiner unehelichen Tochter Waltraud in Südamerika lebt.
Bislang war der Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner die Nummer 1 auf der Liste. Jetzt hieß es, Brunner sei zwar der wichtigste bislang nicht bestrafte Nazi-Kriegsverbrecher, es sei aber angesichts seines hohen Alters von 96 Jahren unwahrscheinlich, dass er noch am Leben sei. Er sei zuletzt 2001 lebend gesehen worden.
Auslieferung abgelehnt
An fünfter Stelle der zehn Meistgesuchten steht Soeren Kam, der zurzeit in Deutschland lebt. Das ehemalige SS-Mitglied wird beschuldigt, das Einwohnerverzeichnis der jüdischen Gemeinde in Dänemark gestohlen und damit die Deportation von dänischen Juden in deutsche Konzentrationslager ermöglicht zu haben.
Er soll außerdem für den Tod eines dänischen Journalisten verantwortlich sein. Kam wurde nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums in Dänemark angeklagt. Ein Gericht in Bayern hat im vergangenen Jahr eine Auslieferung abgelehnt. Die dänischen Behörden wollen jetzt den Fall neu aufrollen und auf Bitte des Wiesenthal-Zentrums Kams Rolle bei der Deportation dänischer Juden untersuchen.

heute.de