1. Mai 2008 | 16:14 Uhr

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  Die meistgesuchten Nazi-Verbrecher
Bad Arolsen
 
 

Sie organisierten Verbrechen, folterten, mordeten: Viele von Hitlers Nazi-Schergen sind längst tot. Doch einige leben noch – so wie der SS-Arzt Aribert Heim. Er ist der weltweit meistgesuchte Nazi-Verbrecher.

Er wird auch „Dr. Tod“ genannt: Der österreichische Mediziner Aribert Heim führt die aktuelle Liste gesuchter Nazi-Verbrecher des Simon-Wiesenthal-Zentrums an. Darauf stehen Hunderte Verdächtige, die sich schwerster NS-Verbrechen schuldig gemacht haben und noch auf freiem Fuß sein sollen.

Gift ins Herz gespritzt!

Heim soll KZ-Häftlinge grausam gefoltert und getötet haben. Er wird beschuldigt, 1941 im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Hunderte Häftlinge mit tödlichen Injektionen – unter anderem direkt ins Herz – umgebracht zu haben.

„Von allen Lagerärzten in Mauthausen war Heim der schrecklichste“, sagte ein politischer Gefangener 1949 aus. Heim arbeitete nach dem Krieg als Arzt in Süddeutschland. Als 1962 Anklage gegen ihn erhoben wurde, tauchte er unter.

Heim wäre heute 93 Jahre alt, und „wir haben gute Gründe zuglauben, dass er noch am Leben ist“, sagte der Direktor des Zentrums, Efraim Zuroff.

Eine Medienkampagne in Südamerika soll jetzt helfen, den NS-Folterer aufzuspüren.

Darin soll auf die Belohnung in Höhe von 485.000 Dollar (310.000 Euro) für Heims Festnahme verwiesen werden.

Die Belohnung wurde von dem Zentrum gemeinsam mit Deutschland und Österreich ausgesetzt. Heim hat zwei Söhne in Deutschland und eine Tochter, die in Chile lebte. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Sie soll Heim bei der Flucht geholfen haben.

Ein in Deutschland eingefrorenes Konto, das Heim zugerechnet wird, weise mehrere Hunderttausend Euro Guthaben auf. Mögliche Erben hätten sich nicht gemeldet, so ein Sprecher des baden-württembergischen Landeskriminalamts.

Aribert Heim steht zum ersten Mal ganz oben auf der Wiesenthal-Liste. Er löste den Kriegsverbrecher Alois Brunner ab. Die Chancen, den 96-jährigen gebürtigen Österreicher lebend zu ergreifen, seien relativ klein, schreibt das Wiesenthal-Zentrum. Brunner sei der wichtigste bislang nicht bestrafte Nazi-Kriegsverbrecher. Er sei zuletzt im Jahr 2001 lebend gesehen worden.

Außer Heim stehen ganz oben auf der Verbrecher-Liste:

John Demjanjuk: Der mutmaßliche ehemalige KZ-Aufseher wehrt sich gegen seine Auslieferung aus den USA.
Sandor Kepiro: Während des Krieges soll der Ungar in die Ermordung von mehr als 1000 Zivilpersonen in Serbien verwickelt gewesen sein.
Milivoj Asner: Er war Polizeichef in Kroatien und lebt heute in Österreich. Er soll an der Deportation von Hunderten Menschen beteiligt gewesen sein.
Sören Kam: Das frühere SS-Mitglied wird in Dänemark wegen der Ermordung eines Journalisten 1943 gesucht. Ein bayerisches Gericht verhinderte 2007 Kams Auslieferung mit der Begründung, es lägen keine ausreichenden Beweise für die Mordvorwürfe vor.


Deutschland holt bei Verfolgung von NS-Verbrechen auf.

Bei der Notenverteilung, mit dem das Zentrum die weltweite Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern bewertet, erhält Deutschland in diesem Jahr die zweitbeste Ziffer („gut“). Efraim Zuroff, sagte, zunächst habe man Deutschland die schlechteste Note geben wollen. Eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Gebirgsjäger Josef Scheungraber in München im Januar habe aber „alles geändert“. Er ist angeklagt, 1944 bei einem Massaker an italienischen Zivilisten teilgenommen zu haben.

Der Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das nach ihm benannte Dokumentationszentrum zum Massenmord an den Juden gegründet. Es war an der Aufspürung von zahlreichen NS-Verbrechern beteiligt, darunter auch Adolf Eichmann. In dem vergangenen Bericht des Zentrums waren noch 1019 Ermittlungen weltweit anhängig. Diese Zahl ist in diesem Jahr gesunken. Allerdings stieg die Zahl der Neuermittlungen von 63 auf 202, wie Zuroff mitteilte.

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