Mittwoch, 30. April 2008

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  "Dr. Tod" führt Liste an  
 

Der als "Dr. Tod" bekanntgewordene SS-Arzt Aribert Heim ist erstmals der weltweit meistgesuchte Nazi- Kriegsverbrecher. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem veröffentlichte mit seinem Jahresbericht eine neue Liste der Meistgesuchten. Danach hat der gebürtige Österreicher Heim den Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner als Nummer 1 auf der Liste abgelöst. Zur Begründung hieß es, Brunner sei zwar der wichtigste bislang nicht bestrafte Nazi-Kriegsverbrecher, es sei aber angesichts seines hohen Alters unwahrscheinlich, dass er noch am Leben ist.

Deutschland erhält bei der Notenverteilung, mit dem das Zentrum die weltweite Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern bewertet, in diesem Jahr ein B, die zweitbeste Note. Der Leiter des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte, zunächst habe man Deutschland die schlechteste Note geben wollen, ein F. Eine Anklageerhebung gegen den ehemaligen Gebirgsjäger Josef Scheungraber in München im Januar habe aber "alles geändert". Er ist angeklagt, 1944 bei einem Massaker an italienischen Zivilisten teilgenommen zu haben. Die beste Note erhielten die USA, wo das Office of Special Investigations (OSI) weiter erfolgreich gegen Nazi-Kriegsverbrecher vorgehe.

Tödliche Injektionen

Heim wird beschuldigt, im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen hunderte Häftlinge mit tödlichen Injektionen unter anderem direkt ins Herz umgebracht zu haben. Heim, der, wenn er noch lebt, heute 93 Jahre alt wäre, hatte nach dem Krieg unter anderem als Frauenarzt in Baden-Baden praktiziert. 1962 tauchte er vor Vollstreckung eines Haftbefehls unter. Zuroff vermutet, dass der Gesuchte mit Hilfe seiner unehelichen Tochter Waltraud in Südamerika lebt.

An fünfter Stelle der zehn Meistgesuchten steht Soeren Kam, der zurzeit in Deutschland lebt. Das ehemalige SS-Mitglied wird beschuldigt, für den Tod eines dänischen Journalisten verantwortlich zu sein. Er soll außerdem das Einwohnerverzeichnis der jüdischen Gemeinde in Dänemark gestohlen und damit die Deportation von dänischen Juden in deutsche Konzentrationslager ermöglich haben. Kam wurde nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums in Dänemark angeklagt. Ein Gericht in Bayern hat im vergangenen Jahr eine Auslieferung abgelehnt. Die dänischen Behörden wollen jetzt den Fall neu aufrollen und auf Bitte des Wiesenthal-Zentrums Kams Rolle bei der Deportation dänischer Juden untersuchen.

2001 lebend gesehen

Bislang war Brunner der meistgesuchte Nazi-Kriegsverbrecher. Die Wahrscheinlichkeit, den 96-Jährigen zu ergreifen, seien relativ gering, schreibt das Wiesenthal-Zentrum. Er sei zuletzt im Jahr 2001 lebend gesehen worden.

Als weitere wichtige Entwicklung wird die Auslieferung des deutschen Kriegsverbrechers Michael Seifert von Kanada an Italien gelobt, wo er in Abwesenheit verurteilt worden war. Zudem verzeichnete das Zentrum einen "erheblichen Anstieg" neuer Nachforschungen von 63 im vergangenen Jahr auf mehr als 200. Sehr enttäuscht sei man hingegen darüber, dass in Ungarn nicht gegen Sandor Kepiro vorgegangen werde, dem eine Teilnahme am Massenmord an hunderten Zivilisten im serbischen Novi Sad am 23. Januar 1942 vorgeworfen wird.

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