24. Juli 2008, 04:00 Uhr

welt.de
  "Er wird einen Fehler machen"
Joachim Rogge
 
 

Man vermutet ihn in Chile oder Argentinien. Er hat Geld und Helfer. Chef-Nazijהger Efraim Zuroff ber die Suche nach dem SS-Arzt Aribert Heim
DIE WELT:

Warum suchen Sie gerade jetzt nach dem Nazi-Arzt Aribert Heim in Sdamerika?

Efraim Zuroff:

Heim ist 94, wenn wir ihn jetzt nicht finden, finden wir ihn nie. Er ist ein Massenmצrder. In sechs Wochen hat er Hunderte von Insassen im Konzentrationslager von Mauthausen selbst umgebracht. Er hat unzהhlige gefoltert. Viele Menschen hat er durch Gift-Injektionen direkt ins Herz getצtet. Er hat ihre Kצrperteile in seinem Bro ausgestellt.

Die Amerikaner hatten Heim bereits 1945 gefasst. Warum wurde er nach dem Krieg nicht verurteilt?

Zuroff:

Er hat seine Verbrechen relativ frh im Jahre 1941 begangen. Danach wurde er zur Waffen-SS nach Finnland versetzt. Sehr weit weg von den Konzentrationslagern. Die Verbindung wurde dann nicht mehr gemacht. Vielleicht war er aber auch ein Spion fr die Amerikaner. Das ist auch mצglich. Der Fall ist sehr merkwrdig.

Die Fahnder waren Heim schon oft auf der Spur. Wieso konnte er ihnen immer wieder entkommen?

Zuroff:

Mit Geld kann man Sicherheit kaufen. Und Heim hat viel Geld. Das ist zwar jetzt eingefroren. Aber er hat auch noch eine wohlhabende Familie in Chile.

Warum glauben Sie, dass Heim noch lebt?

Zuroff:

Er hat 1,2 Millionen Euro auf dem Bankkonto und zusהtzlich noch 800 000 Euro als Wertpapiere. Warum haben die Erben das Geld nie abgerufen? Wenn er tot wהre, kצnnten sie das Geld problemlos bekommen.

Es gibt viele Leute, die sagen, ein 94-jהhriger Mann solle in Ruhe sterben kצnnen. Was sagen Sie dazu?

Zuroff:

Alter ist kein Freibrief. Alter הndert nichts an der Schuld. Jedes Opfer hat das Recht, dass der Mensch verfolgt wird, der es zum Opfer gemacht hat.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den deutschen Behצrden?

Zuroff:

Wir arbeiten sehr eng mit der deutschen Polizei zusammen. Die deutsche Polizei hat eine besondere Task-Force fr den Fall Heim eingerichtet. Die deutsche Polizei arbeitet sehr hart an dem Fall.

Sind Sie mit der deutschen Justiz genauso zufrieden wie mit der Polizei?

Zuroff:

Nein, ich kritisiere den zustהndigen Richter. Er blockiert Untersuchungen, die in jedem Mordfall routinemהig erlaubt werden. Der Fall Heim ist aber viel mehr als ein einfacher Mordfall. Es handelt sich hier um Massenmord. Es ist merkwrdig, dass er die Untersuchung blockiert. Sehr merkwrdig.

Und wie lהuft die Zusammenarbeit in Sdamerika?

Zuroff:

Seit Argentinien 1983 die Demokratie eingefhrt hat, hat sich die Politik grundlegend geהndert. Argentinien hat seitdem insgesamt vier Kriegsverbrecher ausgeliefert. Sie haben allerdings niemals eine umfassende Untersuchung eingeleitet, um zu prfen, welche Nazis nach Argentinien gekommen sind und welche immer noch hier leben. Wir haben diese Untersuchung immer wieder gefordert. Ohne Erfolg. Aber wenn wir Heim finden, werden Argentinien oder Chile ihn auch ausliefern.

Wer hilft ihm bei der Flucht?

Zuroff:

Auf alte Nazi-Seilschaften kann er sicher nicht bauen. Nach unserer Ansicht hilft ihm die Familie, vor allem seine uneheliche Tochter Waltraud. Sie deckt Heim. Von der deutschen Polizei wissen wir, dass sie ursprnglich Boser hie und dann Ivan Diharce heiratete und in Puerto Montt in Chile lebt. Deshalb glauben wir, dass Heim sich in dem Korridor zwischen Puerto Montt in Chile und Buenos Aires in Argentinien aufhהlt.

Wie wollen Sie das Schweigen der Helfer brechen?

Zuroff:

Es gibt eine Belohnung von insgesamt 315 000 Euro. Das ist viel Geld. Das kann das Schweigen brechen. Wir glauben, dass die Leute, die ihm helfen, ganz normale Menschen sind. Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, wer Heim ist. Deshalb machen wir die Kampagne. Eine Belohnung von einer Million Euro wהre natrlich besser.

Birgt eine צffentliche Kampagne nicht auch Risiken? Heim kצnnte gewarnt werden und erneut fliehen?

Zuroff:

Dann wird er einen Fehler machen. Wenn Leute unter Druck stehen, machen sie Fehler. Zudem erweitert die Kampagne die Zahl der Leute, die mצgliche Hinweise bringen kצnnen. Wir brauchen nur einen einzigen Hinweis von einer einzigen Person. Er braucht Pfleger. Wir gehen davon aus, dass die Tochter seine Pflege organisiert. Irgendjemand wird fr ihn einkaufen, irgendjemand bringt ihn zum Zahnarzt. Eine dieser Personen kצnnte sich bei uns melden.

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