29.08.2005
Bild
 

Der letzte offene Fall der Nazi-Jäger

Von PAUL C. MARTIN

 
 


Von allen Nazi-Mördern war er der fürchterlichste: Dr. med. Aribert Heim.

Österreicher. Ehemaliger KZ-Arzt. Nazi-Parteinummer 6116098, Mitglied der Waffen-SS.

Im KZ Mauthausen (bei Linz , Österreich) soll er Hunderte ermordet haben.

Er spritzte den Wehrlosen Lähmungsgift direkt ins Herz oder operierte ohne Betäubung, bis die Opfer vor irrsinnigem Schmerz bewußtlos wurden und starben.

„Die Akte Heim ist der letzte große Fall der letzten Nazi-Jäger,“ schreibt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner heutigen Ausgabe. Die Fahnder wollen ihn unbedingt finden. Die Zeit drängt.

Denn vor zwei Monaten ist Heim 91 Jahre alt geworden...

Ein Zeuge über Heim: Er schnitt einem Patienten „den Bauch in ganzer Länge auf, entfernte daraus die Gedärme, die Leber, die Milz“.

Köpfe seiner Opfer habe er „ausgekocht“, danach als „Ausstellungsstücke“ präsentiert. Einem Häftling habe er „Hautstücke aus Rücken und Brust geschnitten“, um daraus einen Lampenschirm zu machen.

„An Sadismus“, schreibt Ernst Klee in seinem Buch über die NS-Medizin, „übertrifft er nahezu alle KZ-Ärzte“ – selbst den berüchtigten KZ-Arzt von Auschwitz, Josef Mengele, der 1979 in Brasilien ertrank.

Nach Heim wird weltweit gefahndet, eine Belohnung von 130 000 Euro ist ausgesetzt.

Steckbrief: 1,90 m. Schuhgröße: 47. Rechts am Mundwinkel eine v-förmige Narbe: Zwei Schmisse aus seiner Zeit als Mitglied einer schlagenden studentischen Verbindung. Sein Fall füllt beim zuständigen LKA in Stuttgart mehr als 40 Aktenordner.

Wie kann ein solcher Mann wie vom Erdboden verschluckt sein?

Familie: Geschieden, zwei eheliche, ein uneheliches Kind. Er hat sich zweimal bei der Familie gemeldet, Zettel in den Briefkasten gesteckt: „Mir geht es gut.“ An der Haustürklingel seiner Ex-Frau in Baden-Baden steht bis heute sein Name.

Wie konnte Heim entkommen?

Nach seinen Mord-Orgien in Mauthausen setzt ihn die SS in Finnland und Norwegen ein.

1945 wird er festgenommen. Sein Name taucht auf den Listen der Mauthausen-Ärzte nicht auf. 1949 wird er entlassen. Heim arbeitet als Arzt in Friedberg (Hessen), spielt in der Eishockey-Mannschaft von Bad Nauheim. 1954 eröffnet er eine gynäkologische Praxis in Baden-Baden , wird Pharma-Vertreter. Sein letztes Foto ist von 1959: Ein stattlicher Herr im Smoking mit Fliege.

Am 13. September 1962 flieht er im roten Mercedes seiner Schwiegermutter. Einen Tag, bevor er verhaftet werden sollte. Die Polizeiaktion wurde offenbar verraten.

Heims weiterer Aufenthalt? Nur Spekulationen. Ägypten , Uruguay , Chile , Argentinien werden genannt. Ein Zeuge will ihn sogar in Wiesbaden gesehen haben.

Heim hat einen Anwalt für Strafsachen in Frankfurt und einen für Steuersachen. Doch Anwälte dürfen nach deutschem Recht den Aufenthaltsort ihrer Mandanten verschweigen.

Lebt denn der Nazi-Sadist noch?

Dafür spricht Heims Reichtum. Auf seinen Namen liegt fast eine Million Euro in Wertpapieren, Sparbüchern, Festgeld bei einer Berliner Bank. Er läßt noch 2001 auf die Erstattung der darauf fälligen Kapitalertragsteuer klagen, da er als Steuer-„Ausländer“ nicht in Deutschland steuerpflichtig sei.

Vor allem: Wäre Heim tot oder für tot erklärt worden, hätten sich seine drei Kinder das Millionen-Erbe längst auszahlen lassen.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum ( Jerusalem ) in seiner „Operation Letzte Chance“ 2005: „Die Jagd ist noch nicht vorüber...“  

Bild, 29.08.05