26.04.2012 juedische-allgemeine.de
»Nur der politische Wille fehlt«
von Martin Krauss

Drei neue Namen auf der NS-Täter-Liste des Wiesenthal Center

Das Simon Wiesenthal Center hat am Jom Haschoa in Jerusalem drei neue Namen auf seine Liste der meistgesuchten Naziverbrecher gesetzt. Es handelt sich um den Ungarn Laszlo Csatary, der als Polizeichef von Kosice an der Deportation von 15.700 Juden nach Auschwitz beteiligt gewesen sein soll.

Wladimir Katriuk soll als Zugführer der ukrainischen Sicherheitspolizei an der Ermordung zahlreicher Zivilisten in Weißrussland mitgewirkt haben. Und Helmut Oberlander, ein sogenannter Volksdeutscher aus der Ukraine, soll als Mitglied eines Einsatzkommandos Juden in der südlichen Ukraine zur Exekution verschleppt haben.

Hindernis Efraim Zuroff vom Wiesenthal Center hat bei der Vorstellung der neuen Liste auch eine vorläufige Bilanz der NS-Verfolgung gezogen. »Während allgemein immer angenommen wird, dass es das Alter der Verdächtigten ist, das das größte Hindernis für die Strafverfolgung darstellt, so hat sich in vielen Fällen gezeigt, dass es ein Mangel an politischem Willen ist.«

Als größten Erfolg seiner Arbeit im vergangenen Jahr bezeichnet Zuroff die Verurteilung John Demjanjuks durch ein Münchner Gericht. Wegen der Beihilfe zum Mord an Tausenden Juden im KZ Sobibor war der frühere ukrainische Hilfspolizist im Mai 2011 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Im März 2012 war Demjanjuk in einem deutschen Pflegeheim gestorben.

Als größte Enttäuschung bezeichnete Zuroff den Freispruch des ungarischen Offiziers und Juristen Sándor Képíró. Ihm hatten das Wiesenthal Center und die ungarische Staatsanwaltschaft Anstiftung zum Mord an mehr als 1.000 Menschen in der serbischen Stadt Novi Sad vorgeworfen. Im Juli 2011 sprach ihn ein Gericht in Budapest frei, im September starb Képíró.

Schuld Die Fälle Demjanjuk und Képíró zeigen laut Zuroff, dass Europa in der Frage der Verfolgung von NS-Straftaten »weiterhin geteilt« sei. In einem Essay für die israelische Tageszeitung Haaretz schreibt Zuroff, während in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern mittlerweile ein politisches Interesse an der Aufarbeitung der NS-Zeit dominiere, wirke in Osteuropa ein Erbe nach: »Offensichtlich hat die kommunistische Herrschaft in Ländern wie Ungarn die Notwendigkeit verhindert, sich selbst zu erforschen und so zu einer Anerkennung von Schuld und Mitschuld zu gelangen.«

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