17.01.2012, 10:27 sueddeutsche.de
Der Letzte auf der Liste
Von Hans Holzhaider

Seit 1952 kämpfen die Niederlande, Klaas Carel Faber hinter Gittern zu bekommen - bislang vergeblich. Nun könnte der NS-Kriegsverbrecher, der in Ingolstadt lebt, doch noch eine Haftstrafe antreten müssen. Es ist allerdings ungewiss, ob der 89-Jährige das Ende des Verfahrens überlebt.

Der Journalist Arnold Karskens, 57, hat sich in den Niederlanden einen Namen als Kriegsberichterstatter gemacht. Er war in El Salvador und auf den Philippinen, in Nordirland und Angola, in Irak und in Afghanistan. Aber es gibt ein Thema, das ihn während all dieser Jahre immer begleitet hat: die Verfolgung niederländischer Kriegsverbrecher.

Landsleute, die in den Jahren 1940 bis 1945 mit den deutschen Besatzern kollaborierten und verantwortlich oder mitverantwortlich sind für die Deportierung niederländischer Juden in die Konzentrationslager, für die Rekrutierung von Niederländern zur Zwangsarbeit in Deutschland und für die Erschießung wirklicher oder angeblicher Mitglieder des niederländischen Widerstands.

Heute steht nur noch ein Name auf Karskens Liste: Klaas Carel Faber, 89 Jahre alt, wohnhaft in Ingolstadt.

Unermüdlich hat Karskens Archive durchforscht und mit Zeitzeugen gesprochen, hat mit Justizbehörden korrespondiert, und hin und wieder ist er auch nach Ingolstadt gefahren, hat in der Straße, wo Faber seit 1961 lebt, auf den alten Mann gewartet und versucht, mit ihm zu sprechen - immer vergeblich.

Aber jetzt, im Januar 2012, zeichnet sich doch die Möglichkeit ab, dass Faber noch einmal ins Gefängnis muss. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat beim dortigen Landgericht den Antrag gestellt, die Vollstreckung einer 1949 in den Niederlanden verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe für zulässig zu erklären.

Der Abschnitt in Fabers Lebens, um den es dem Journalisten Karskens geht, liegt sehr weit zurück - 67 Jahre. Faber, damals 22 Jahre alt, war, wie auch sein älterer Bruder Piet, Mitglied im NSB, der niederländischen Nazipartei. Im Mai 1944 wurde sein Vater, der schon seit 1933 zu den niederländischen Nazis gehörte, von Widerstandskämpfern erschossen.

Kurz danach wurden die Brüder Piet und Klaas Carel zum deutschen SD (Sicherheitsdienst) in Groningen kommandiert, einer berüchtigten Einheit, in deren Hauptquartier, dem Scholtenhuis, viele Gefangene gefoltert wurden.

Die Brüder waren an mehreren Exekutionen beteiligt. Am 19. September 1944 wurden in einem Wald nahe der deutschen Grenze bei Odoorn fünf Männer durch Kopfschüsse hingerichtet, am 28. Oktober 1944 sechs Gefangene im Konzentrationslager Westerbork, im April 45 elf Männer in der Nähe der Ortschaft Norg.

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