Berlin/München – Efraim
Zuroff ist kein Mann, der zu überzogenem Optimismus
neigt, dafür ist der 63-jährige Direktor des Simon-Wiesenthal-Centers
in Jerusalem schon zu oft frustriert worden. Einen „Nazijäger“ haben
sie ihn in Europa oft genannt. Dabei waren es oft gar nicht
die einstigen NS-Täter, welche Zuroff und seine Mitarbeiter
mühsam in der Menge suchen mussten – sondern vielmehr
die wenigen staatlichen Ankläger, die noch zu einem
Prozess gegen inzwischen hochbetagte Männer bereit waren.
Dass Efraim Zuroff sich am Mittwoch vor Journalisten in Berlin
derart guter Laune zeigte, ist da schon für sich genommen
bemerkenswert: Der „Nazijäger“ sprach von
einer neuen Chance.
Das Wiesenthal-Center will ein letztes Mal Geld in die Hand
nehmen, um Hinweise auf noch unbehelligt lebende NS-Täter
in Deutschland und Österreich einzuwerben. Die Kampagne
trägt den Titel „Operation Last Chance 2“ – Teil
1 war seit 2005 in ganz Europa gelaufen. Bis zu 25 000 Euro
zahlt die Nichtregierungsorganisation künftig noch einmal
für Hinweise, die zu einer Anklage wegen eines NS-Verbrechens
führen; eine Hotline (01573/4947 307) ist geschaltet.
Von letzten Chancen ist freilich schon seit geraumer Zeit die
Rede. Kaum ein Mensch, der alt genug war, im NS-Regime Befehle
zu erteilen, dürfte heute jünger als 90 sein. Schon
im Jahr 2004 deutete der Bundesgerichtshof ein Ende der strafrechtlichen
Aufarbeitung in Deutschland an, indem er den Prozess gegen
den ehemaligen SS-Sturmbannführer Friedrich Engel unter
Verweis auf sein fortgeschrittenes Alter einstellte. Als zwei
Jahre später die Ludwigsburger Zentrale Stelle für
die Aufklärung von NS-Verbrechen ihr 50-jähriges
Bestehen feierte, sagte der Leiter dieser Behörde, Kurt
Schrimm, dem Spiege l: „Rechtskräftige Verurteilungen
sind nun kaum mehr zu erwarten.“ Selbst Efraim Zuroff,
der Mahner, der die deutschen Ermittler so gern zu mehr Biss
angetrieben hätte und sie mit gut platzierter Kritik immerhin
regelmäßig reizen konnte, zog damals bereits vorsichtig
Bilanz.
Wie anders ist nun, drei Jahre später, die Lage: Seitdem
im November 2009 der staatenlose Ukrainer John Demjanjuk, damals
89-jährig, in einen Saal des Münchner Landgerichts
gerollt wurde, ist noch einmal eine ganze Reihe neuer Verfahren
gegen NS-Verdächtige in Gang gekommen. In München
wurde ein 91-Jähriger wegen Mordes verurteilt, in Aachen
ein 89-Jähriger. Erst in der vergangenen Woche durchsuchten
Dortmunder Ermittler die Wohnungen von sechs ehemaligen Wehrmachtssoldaten,
die sich vor 67 Jahren an dem Massaker im französischen
Oradour-sur-Glane beteiligt haben sollen.
Besonders das Demjanjuk-Urteil macht aus Zuroffs Sicht neue
Hoffnung:
Die Münchner Richter hatten sich nicht davon beirren lassen,
dass sich eine konkrete Tat des Angeklagten nicht beweisen
ließ. Sie begnügten sich mit dem Wissen, dass in
Sobibor, einem reinen Vernichtungslager, jeder Aufseher am
Morden beteiligt war. Das Urteil ist noch nicht vom Bundesgerichtshof
bestätigt, der dahinterstehende Gedanke lässt sich
aber grundsätzlich auf alle Vernichtungslager übertragen,
auf Treblinka oder Auschwitz-Birkenau, und ebenso auf mobile
Mordkommandos. Efraim Zuroff machte in Berlin eine grobe Rechnung
auf: Von den etwa 4000 Tätern in Vernichtungslagern und
Einsatzgruppen seien noch etwa 80 am Leben. Wenn davon nur
die Hälfte gesund genug für einen Prozess sei, könnten
nun 40 neue Verfahren beginnen.
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