14. Dezember 2011 19:03 derstandard.at
Neue Anstrengung zur Enttarnung von noch lebenden NS-Verbrechern

Simon-Wiesenthal-Zentrum sieht nach Demjanjuk-Urteil neue Chancen

Berlin - Eine neue Kampagne des Simon-Wiesenthal-Zentrums soll zur Enttarnung und Verurteilung noch lebender NS-Verbrecher mit Hilfe örtlicher Ermittlungsbehörden führen. Wie der Leiter des israelischen Büros, Efraim Zuroff, am Mittwoch in Berlin sagte, wird das Zentrum eine Belohnung von 25.000 Euro für Informationen aussetzen, die zur Ergreifung und Verurteilung von Menschen führen, die in NS-Verbrechen verwickelt waren. "Die Schuld der Mörder wird nicht geringer, weil Zeit vergeht", sagte Zuroff bei der Vorstellung der "Operation Letzte Chance 2". Alter dürfe nicht vor Verfolgung schützen.

Laut Zuroff eröffnet das Gerichtsurteil gegen John Demjanjuk die Chance für eine neue Reihe von Prozessen. Der frühere KZ-Wachmann war im Mai in München der Beihilfe zum Mord an 27.900 Juden im Vernichtungslager Sobibor schuldig gesprochen und zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der aus der Ukraine stammende 91-Jährige hatte seine Schuld bestritten und wartet zur Zeit auf die Berufungsverhandlung.

Der Prozess galt als historisch, weil mit Demjanjuk erstmals ein als KZ-Wärter von der SS zwangsverpflichteter Osteuropäer - einer der sogenannten Trawniki - vor ein deutsches Gericht gestellt wurde. "Der Angeklagte war Teil der Vernichtungsmaschinerie", hatte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung gesagt. Zuvor war eine direkte Tatbeteiligung für eine Verurteilung notwendig gewesen.

Demjanjuk war bereits in den 1980er Jahren mehrere Jahre in Israel in der Todeszelle gesessen, da er offenbar irrtümlich mit dem Gaskammerwärter "Iwan der Schreckliche" aus dem Vernichtungslager Treblinka identifiziert worden war. 1993 hatte der Oberste Gerichtshof Israels das Urteil aufgehoben.

"Der Demjanjuk-Fall sollte den Weg für die Verurteilung von vielen Menschen bereiten, die über einen längeren Zeitraum täglich in den Massenmord verwickelt waren", sagte Zuroff. Jedes Opfer sei es wert, dass eine Anstrengung unternommen werde, um seinen Mörder zu finden. Zuroff schätzte die Zahl potenziell noch lebender Straftäter, die vor Gericht gestellt werden könnten, auf etwa 40.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum arbeitet bei der Kampagne mit der amerikanischen Targum-Shlishi-Stiftung zusammen. Die Kampagne soll Ermittlungsbehörden dabei unterstützen, Kriegsverbrecher in Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien, Ungarn, Kroatien und den baltischen Staaten zu finden.

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