24.04.2011 derbund.ch
«Wir kriegen monatlich zwei Hinweise auf Nazi-Kriegsverbrecher»

Für den israelischen Nazi-Jäger Efraim Zuroff geht die Arbeit noch lange nicht aus. Gerade der Fall eines unbehelligt in Deutschland lebenden NS-Kriegsverbrechers beschäftigt ihn bis heute.

Kurz vor dem Ende des NS-Kriegsverbrecherprozesses gegen John Demjanjuk hat der israelische Nazi-Jäger Efraim Zuroff die Münchner Justiz gelobt. «Sie haben unter sehr schwierigen Umständen eine sehr gute Arbeit gemacht», sagte Zuroff der Nachrichtenagentur AFP. Der wegen Beihilfe zum Mord in 27'900 Fällen beschuldigte Demjanjuk und sein Verteidiger hätten alle Anstrengungen unternommen, den Prozess «zu einem Zirkus zu machen». «Das hatte keinen Erfolg, und das ist ein grosses Verdienst des Münchner Gerichts.»

In dem seit Ende November 2009 laufenden Verfahren wird für den 12. Mai vor dem Landgericht München II das Urteil erwartet. Der Staatsanwalt hat für den laut Anklage 1943 im NS-Vernichtungslager Sobibor als KZ-Wächter eingesetzten Demjanjuk sechs Jahre Haft gefordert. Zuroff, der das Jerusalemer Büro des Simon-Wiesenthal-Zentrums leitet, sagte, möglicherweise sei dies der letzte grosse NS-Prozess in Deutschland. Allerdings sei nicht ausgeschlossen, dass es noch zu weiteren Prozessen komme. «Wir kriegen noch immer jeden Monat zwei Hinweise auf Nazi-Kriegsverbrecher, denen wir nachgehen.» In Ungarn etwa beginne im Mai ein neuer NS-Kriegsverbrecherprozess.

Zuroff sagte, in den vergangenen Jahren habe die deutsche Justiz bei der Aufarbeitung von NS-Kriegsverbrechen grosse Fortschritte gemacht. «Das ist eine sehr positive Entwicklung.» Allerdings sei es gleichzeitig «ein bisschen zu spät» dafür. Vor vierzig, fünfzig Jahren hätten deutsche Gerichte deutlich schärfer gegen Nationalsozialisten vorgehen sollen. Doch damals hätten selbst im Bundesnachrichtendienst noch Nazis Unterschlupf gefunden.

Der Fall Klaas Carel F.

Scharf griff der Nazi-Jäger die deutschen Behörden wegen des Falls des seit Jahrzehnten unbehelligt in Ingolstadt lebenden Klaas Carel F. an. «Dieser Mann wird seit bald 60 Jahren durch den Führererlass geschützt. Das ist lächerlich.»

Der gebürtige Niederländer Klaas Carel F. war 1947 in seiner früheren Heimat wegen der Ermordung von 22 Juden verurteilt worden, konnte 1952 aber nach Deutschland fliehen. Weil er durch einen Erlass Adolf Hitlers die deutsche Staatsbürgerschaft hat und Deutschland seine Staatsbürger nicht ausliefert, konnte er bisher nicht in die Niederlande überstellt werden. In den Fall hatte sich zuletzt auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eingeschaltet und an die bayerische Justiz appelliert, zumindest das niederländische Urteil zu vollstrecken.

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