Ob
die übrigen drei in Deutschland Lebenden auf der Gesuchtenliste
je belangt werden, ist sehr die Frage. Nicht nur, weil auch
sie uralt sind.
Da wäre zum einen der Ingolstädter Klaas Carl Faber: Der gebürtige Niederländer
war einer der ersten Freiwilligen beim SS-Dienst
der deutschen Besatzer und soll an den "Silbertanne"-Morden beteiligt gewesen sein, der Erschießung von mindestens 54 unbewaffneten
Holländern. In den Niederlanden wurde er 1947
wegen der Hinrichtung von Gefangenen, unter
anderem im Juden-Durchgangslager Westerbork,
zum Tode verurteilt. 1948 wurde Fabers Strafe
in lebenslange Haft umgewandelt. Er brach 1952
aus dem Gefängnis aus und floh nach Deutschland,
wo ab 1954 die Staatsanwaltschaft Düsseldorf
gegen ihn ermittelte. Doch weil die holländische
Regierung auf seine Auslieferung beharrt, weigert
sie sich, Rechtshilfe zu leisten, die Anklage
wird mangels Beweisen fallengelassen. Bis zur
Rente arbeitet Faber ungestört bei Auto Union
und Audi in Ingolstadt, erst 2003 rollen die
Niederländer den Fall wieder auf. Doch das
Landgericht Ingolstadt befindet, die Vollstreckung
sei nicht zulässig - wegen der ergebnislosen
Ermittlungen von 1954. Die Akte wird geschlossen.
Heute bewohnt Faber mit seiner Frau einen Wohnblock
im Ingolstädter Piusviertel. Gerade allerdings
kam Bewegung in den Fall Faber: Im November
erließen die Niederlande einen europäischen Haftbefehl gegen den 87-Jährigen, der erneut
auf dessen Auslieferung an die Niederlande
abzielt. Der Erfolg bleibt abzuwarten.
Noch schwieriger
die Causa Sören Kam: Während des zweiten Weltkrieges
leitete der als SS-Obersturmbannführer eine
Schule für dänische SS-Freiwillige in Kopenhagen,
die so genannte „Viking-Division“. Dort war
auch die berüchtigte Todesschwadron gegen Oppositionelle,
die „Peter-Gruppe“, stationiert, auch Kam selbst
war an Liquidierungen beteiligt. Im Rahmen
einer „Säuberungsaktion“ soll Kam auch in den
Mord des dänischen Journalisten Carl Henrik
Clemmensen verwickelt gewesen sein und sich
im August 1943 am Raub des Einwohnerverzeichnisses
der jüdischen Gemeinde in Dänemark beteiligt
haben, der Deportation dänischer Juden möglich
gemacht hat. Doch noch bevor man ihm in Dänemark
den Prozess machen konnte, tauchte er in Deutschland
ab, wo er 1956 die Staatsangehörigkeit bekam.
Zwar wurde 1968 ein Ermittlungsverfahren gegen
ihn eingeleitet, doch schon 1971 wurde es aus
„Mangel an Beweisen“ wieder eingestellt. Auch
eine mit neuen Beweisen angestrengte Neuauflage
1997 lief ins Leere, und als er 2006 auf dänischen
Druck hin doch kurzzeitig festgenommen wurde, ließ man den alten Mann schließlich
wegen Verjährung wieder laufen. Heute lebt
Kam als Rentner in Kempten im Allgäu. Öffentlich
lässt er sich kaum blicken, nur die Teilnahme
am NS-Veteranentreffen am Österreichischen
Ulrichsberg, die ließ er sich nicht nehmen.
Kaum hoffnungsvoller
für die Justiz ist der Fall Algimantas Dailide.
Als Mitglied der litauischen Geheimpolizei
Saugumas hatte er Juden, die aus dem Ghetto
von Vilnius fliehen wollten, an die Nazis ausgeliefert.
In der Folgezeit ermordeten die Nazis etwa
220.000 litauische Juden. Dailide verschwand
in die USA, wo man ihn erst 2001 aufspürte.
Weil er bei seiner Einwanderung gelogen und
seine Vergangenheit verschwiegen hatte, entzog
man ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Der Kriegsverbrecher floh nach Toronto und
versteckte sich 2004 schließlich bei einem
Cousin seiner Frau im sächsischen Kirchberg.
Kurz darauf wurde er in Litauen angeklagt.
Das Gericht sprach ihn schuldig, an die Nazis
14 Juden ausgeliefert zu haben, die kurz darauf
ermordet wurden. 2006 wurde er zu fünf Jahren
Haft verurteilt, ohne die Strafe antreten zu
müssen. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes,
wie es hieß. In Kirschberg trifft man ihn noch
immer gut gelaunt beim Einkaufen.
Die Männer,
die damals, wie die Süddeutsche Zeitung einmal
schrieb, „ im Schlachthaus der Weltgeschichte
für Ruhe und Ordnung gesorgt“ haben, sind heute
tattrige Greise mit Hörgerät, Gehhilfe und
Pflegestufe. Sie gehörten zum Bodenpersonal,
das die Mordmaschine der Nazis geschmiert hat.
Ein halbes Jahrhundert lang wurden sie nicht
belangt. Das im Jahre 2010 aufholen zu wollen,
ist ein ehrgeiziges Projekt.
cicero.de
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