Das Simon-Wiesenthal-Zentrum
hat der deutschen Justiz ein miserables Zeugnis für
die Verfolgung von Nazi-Verbrechern ausgestellt. Deutschlands
Versagen sei eine der «größten Enttäuschungen».
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat der Bundesrepublik Versagen
bei der Strafverfolgung von NS-Tätern vorgeworfen. Zwischen
dem 1. April 2006 und dem 31. März 2007 seien in Deutschland
keine NS-Verbrecher anklagt oder verurteilt worden, obwohl
es weiterhin eine große Anzahl von Verdächtigen
gebe, teilet das Zentrum am Montag in Berlin mit. Damit habe
Deutschland seit Beginn der Veröffentlichung der Jahresberichte
des Zentrums im Jahr 2001 erstmals die Note mangelhaft erhalten.
«
Deutschlands Versagen auf dem Gebiet der Verfolgung von NS-Tätern
im vergangenen Jahr ist eine der größten Enttäuschungen
für den Untersuchungszeitraum», sagte Efraim Zuroff,
Autor des Berichts und Leiter der Recherchen des Wiesenthal-Zentrums
zur Verfolgung von Nazi-Tätern weltweit. Es sei aber
nach wie vor möglich, Gerichtsverfahren gegen Nazi-Täter
aufzunehmen, fügte er hinzu.
Bodenloses Versagen warf das Zentrum auch Ländern wie Österreich,
Polen, Litauen, Lettland und Kanada vor, die zwar Dutzende
von Ermittlungen geführt, aber kein einziges Gerichtsverfahren
eröffnet hätten. Weltweit sei die Zahl von verurteilten
NS-Tätern von 16 im Vorjahreszeitraum auf 21 in der
aktuellen Berichtszeit gestiegen.
Mangelnder politischer Wille
Vor allem das US-amerikanische Office of Special Investigations
sei weiterhin sehr erfolgreich bei der Enttarnung und Abschiebung
von NS-Verbrechern. Nach den USA sei Italien zum zweitbesten
Land aufgestiegen, heißt es im Bericht. Zum zweiten
Mal in Folge sei es den Italienern gelungen, mindestens 10
Täter zu verurteilen.
Zuroff betonte, es gebe noch immer Erfolgsaussichten für
NS- Prozesse. Seit Januar 2001 seien 69 Urteile verkündet
und mindestens 44 Anklagen erhoben worden. Nicht das hohe
Alter der Verdächtigen, sondern mangelnder politischer
Wille verhindere oft die Strafverfolgung.
Alois Brunner
Deutschlands Versagen sei eine große Enttäuschung,
sagte Zuroff. Dabei gebe es in der Bundesrepublik keine bedeutsame
politische Strömung, die eine Verfolgung von NS-Tätern
ablehne. Schweden und Norwegen verzichteten wegen Verjährung
ganz auf Ermittlungen gegen NS-Mörder, andere Länder
wie Syrien ignorierten die Verfolgung komplett. Das nach
dem Nazijäger Simon Wiesenthal benannte Zentrum wurde
1977 gegründet. Sein Hauptsitz ist in Los Angeles.
Zu den noch lebenden Nazi-Verbrechern gehören nach
Angaben des Zentrums Alois Brunner, enger Mitarbeiter des
Organisators der «Endlösung», Adolf Eichmann.
Brunner wird in Syrien vermutet und ist für die Deportation
zehntausender Juden in die Konzentrationslager verantwortlich.
netzeitung.de
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