03. Sep 17:31

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  Versagen bei NS-Verfolgung:
Wiesenthal-Zentrum gibt Deutschland Note Fünf
 
 

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat der deutschen Justiz ein miserables Zeugnis für die Verfolgung von Nazi-Verbrechern ausgestellt. Deutschlands Versagen sei eine der «größten Enttäuschungen».

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat der Bundesrepublik Versagen bei der Strafverfolgung von NS-Tätern vorgeworfen. Zwischen dem 1. April 2006 und dem 31. März 2007 seien in Deutschland keine NS-Verbrecher anklagt oder verurteilt worden, obwohl es weiterhin eine große Anzahl von Verdächtigen gebe, teilet das Zentrum am Montag in Berlin mit. Damit habe Deutschland seit Beginn der Veröffentlichung der Jahresberichte des Zentrums im Jahr 2001 erstmals die Note mangelhaft erhalten.
« Deutschlands Versagen auf dem Gebiet der Verfolgung von NS-Tätern im vergangenen Jahr ist eine der größten Enttäuschungen für den Untersuchungszeitraum», sagte Efraim Zuroff, Autor des Berichts und Leiter der Recherchen des Wiesenthal-Zentrums zur Verfolgung von Nazi-Tätern weltweit. Es sei aber nach wie vor möglich, Gerichtsverfahren gegen Nazi-Täter aufzunehmen, fügte er hinzu.

Bodenloses Versagen warf das Zentrum auch Ländern wie Österreich, Polen, Litauen, Lettland und Kanada vor, die zwar Dutzende von Ermittlungen geführt, aber kein einziges Gerichtsverfahren eröffnet hätten. Weltweit sei die Zahl von verurteilten NS-Tätern von 16 im Vorjahreszeitraum auf 21 in der aktuellen Berichtszeit gestiegen.

Mangelnder politischer Wille

Vor allem das US-amerikanische Office of Special Investigations sei weiterhin sehr erfolgreich bei der Enttarnung und Abschiebung von NS-Verbrechern. Nach den USA sei Italien zum zweitbesten Land aufgestiegen, heißt es im Bericht. Zum zweiten Mal in Folge sei es den Italienern gelungen, mindestens 10 Täter zu verurteilen.

Zuroff betonte, es gebe noch immer Erfolgsaussichten für NS- Prozesse. Seit Januar 2001 seien 69 Urteile verkündet und mindestens 44 Anklagen erhoben worden. Nicht das hohe Alter der Verdächtigen, sondern mangelnder politischer Wille verhindere oft die Strafverfolgung.

Alois Brunner

Deutschlands Versagen sei eine große Enttäuschung, sagte Zuroff. Dabei gebe es in der Bundesrepublik keine bedeutsame politische Strömung, die eine Verfolgung von NS-Tätern ablehne. Schweden und Norwegen verzichteten wegen Verjährung ganz auf Ermittlungen gegen NS-Mörder, andere Länder wie Syrien ignorierten die Verfolgung komplett. Das nach dem Nazijäger Simon Wiesenthal benannte Zentrum wurde 1977 gegründet. Sein Hauptsitz ist in Los Angeles.

Zu den noch lebenden Nazi-Verbrechern gehören nach Angaben des Zentrums Alois Brunner, enger Mitarbeiter des Organisators der «Endlösung», Adolf Eichmann. Brunner wird in Syrien vermutet und ist für die Deportation zehntausender Juden in die Konzentrationslager verantwortlich.

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