09.09.2010 19:40 Uhr donaukurier.de
Doch Haft für NS-Verbrecher aus Ingolstadt?
Von Sebastian Peterhans

Ingolstadt (DK) Der inzwischen 88-jährige, in Ingolstadt lebende NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber könnte eventuell doch noch im Gefängnis landen. Die Niederlande signalisierten gestern Bereitschaft, in Deutschland noch einmal um Hilfe bei der Vollstreckung der Haftstrafe zu ersuchen.

Wie der Sprecher von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bestätigte, regte sie in einem Telefonat mit ihrem Amtskollegen Ernst Hirsch Ballin ein so genanntes Vollstreckungs-Übernahme-Ersuchen an. Damit könnte der inzwischen 88-jährige, gebürtige Niederländer Faber seine in den Niederlanden verhängte Strafe absitzen müssen. Wie das Ministerium weiter mitteilte, werden aber auch sämtliche andere Möglichkeiten, den NS-Kriegsverbrecher noch zu belangen, geprüft. Der Grund für das erneute Aufrollen des Falls ist ein Brief des israelischen Justizministers an die Bundesjustizministerin mit der dementsprechenden Bitte.
Zeitpunkt noch unklar

"Wir rechnen in der kommenden Woche mit weiteren Informationen aus Deutschland", sagte der Sprecher des niederländischen Justizministeriums, Wim van der Weegen, in Den Haag. "Je nachdem, welche Möglichkeiten die deutsche Justiz noch sieht, wollen wir reagieren." Wann und in welcher Form dann ein entsprechendes Ersuchen an die deutsche Justiz übermittelt werden könnte, sei derzeit noch unklar.

Seit 1961 lebt Klaas Carel Faber unbehelligt im Ingolstädter Piusviertel. Seit 2009 steht er auf der Liste der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher, die das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit Hauptsitz in Los Angeles jedes Jahr aktualisiert. In den Niederlanden war Faber für seine Beteiligung an der Ermordung von Gefangenen im Transitlager Westerbork 1944 zum Tode verurteilt worden. 1948 wurde das Urteil dann in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Vier Jahre später gelang Faber die Flucht aus dem Gefängnis. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er bei der Auto Union, der jetzigen Audi AG.

Theoretisch gibt es jetzt drei Möglichkeiten, Faber doch noch hinter Gitter zu bringen. Erstens: Man erkennt ihm die deutsche Staatsbürgerschaft ab, die er aufgrund eines Führererlasses als Mitglied der Waffen-SS erhalten hatte. Dadurch könnte er an die Niederlande ausgeliefert werden. Zweitens: Es kommt hierzulande zu einer Strafverfolgung. Das geht aber nur, wenn damals Deutsche unter den Opfern waren. Drittens: Man fechtet das Urteil des Düsseldorfer Landgerichts aus dem Jahr 1957 an, nach welchem dem Beschuldigten die Taten nicht nachzuweisen seien. "Im Moment kann man nichts ausschließen", sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. "Alle Möglichkeiten werden ausgelotet."

Es gibt Differenzen

Bislang gibt es Differenzen zwischen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU). Während Leutheusser Schnarrenberger darauf pocht, das Urteil von 1957 sei anfechtbar, ist Merk genau der gegenteiligen Meinung. Die Schwierigkeit: Die Zuständigkeit liegt bei der bayerischen Justiz. Leutheusser-Schnarrenberger muss also – zumindest was diese Variante anbelangt – darauf hoffen, dass Merk einlenkt.

Bereits vor einigen Jahren hatte die Justiz wieder Interesse an dem Fall gezeigt: 2003 beantragten die Niederlande die Umsetzung des auf lebenslänglich lautenden Urteils. Nur ein Jahr später lehnte das Landgericht Ingolstadt die Vollstreckung des Urteils von 1948 ab – unter Verweis auf das Urteil des Düsseldorfer Landgerichtes von 1957. Eine Auslieferung von Faber an die Niederlande war nie erfolgt, weil Faber als Deutscher gilt.

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