Donnerstag, 09. September 2010 n-tv.de
NS-Verbrecher droht Ausweisung

Seit den 50er Jahren lebt der in den Niederlanden zu lebenslanger Haft verurteilte und später geflohene mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber unbehelligt in Deutschland. Jetzt will die deutsche Justiz eine Auslieferung Fabers ermöglichen. Damit droht dem 88-Jährigen eine Haftstrafe.

Die Niederlande wollen den in Deutschland lebenden NS-Verbrecher Klaas Carel Faber doch noch ins Gefängnis bringen. Deshalb sei Den Haag grundsätzlich bereit, in Deutschland erneut um Hilfe bei der Vollstreckung der Haftstrafe nachzusuchen, sagte der Sprecher des Justizministeriums.

Der gebürtige Niederländer Faber ist inzwischen 88 Jahre alt und lebt seit langem unbehelligt in Ingolstadt. In den Niederlanden war er für die Ermordung von mehreren Gefangenen im Transitlager Westerbork 1944 zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde 1948 in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. 1952 floh Faber aus dem Gefängnis von Breda.

SEine Auslieferung hatten die deutschen Behörden stets abgelehnt. "Es gab immer wieder Staatsanwälte, die das Recht sehr stark zugunsten der Beschuldigten auslegten", sagte der Historiker Harald Fühner im Interview mit n-tv.de. "Nicht wenige Historiker entdecken hier eine gewisse Rest-Kameraderie." Fühner wies allerdings auch darauf hin, dass die niederländischen und deutschen Behörden Schwierigkeiten bei der Kooperation hatten: "Viele Kriegsverbrecher hatten das Glück, immer wieder im Windschatten von Politik und Justiz zu segeln."

Faber war erst im vergangenen Jahr vom Simon-Wiesenthal-Center auf die Liste der meistgesuchten NS-Kriegsverbrecher gesetzt worden, um auf seinen Fall aufmerksam zu machen, wie der Leiter des Zentrums, Efraim Zuroff, n-tv.de sagte.

Justizministerin macht Druck
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dringt nun darauf, Faber doch noch zur Verantwortung zu ziehen. Wie ihr Sprecher in Berlin bestätigte, regte sie in einem Telefonat mit ihrem Amtskollegen Ernst Hirsch Ballin ein Vollstreckungs-Übernahme-Ersuchen an, mit dem Faber seine in den Niederlanden verhängte Strafe in Deutschland absitzen könnte.

"Wir rechnen in der kommenden Woche mit weiteren Informationen aus Deutschland", sagte der Sprecher des niederländischen Justizministeriums, Wim van der Weegen, in Den Haag. "Je nachdem, welche Möglichkeiten die deutsche Justiz noch sieht, wollen wir reagieren." Wann und in welcher Form dann ein entsprechendes Ersuchen an die deutsche Justiz übermittelt werden könnte, sei derzeit noch unklar.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich freue mich, dass mein niederländischer Amtskollege große Bereitschaft gezeigt hat, mit einem neuen Ersuchen das Urteil gegen Klaas Faber in Deutschland zur Vollstreckung zu bringen." Die bayerische Justizministerin Beate Merk von der CSU hatte angekündigt, den Fall schnell zu überprüfen, wenn es ein entsprechendes Begehren der Niederlande vorliegt.

"Führererlass" stand im Wege
Bereits im vergangenen Jahr hatte Leutheusser-Schnarrenberger von Bayern die Wiederaufnahme der Strafverfolgung Fabers verlangt. In Deutschland war Faber nie verurteilt worden. Die deutsche Justiz war zwar tätig geworden, hielt aber die Beweise für nicht ausreichend. Eine Auslieferung hatte sie unter Hinweis auf einen Erlass aus der Nazi-Zeit abgelehnt: Im Mai 1943 hatte Adolf Hitler entschieden, dass alle niederländischen Freiwilligen der Waffen-SS automatisch deutsche Staatsbürger sind. Zuletzt scheiterte im Jahr 2004 ein Antrag der Niederlande auf Auslieferung. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung wird von Leutheusser-Schnarrenberger angezweifelt.

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