27. Juli 2010
sz-magazin.sueddeutsche.de
Der lange Schatten der Schuld

Einer der weltweit meistgesuchten Kriegsverbrecher ist tot. Erich Steidtmann war SS-Hauptsturmführer und Polizeihauptmann im Warschauer Ghetto und soll an Massenerschießungen von 30.000 Juden beteiligt gewesen sein. Zum Prozess gegen ihn kam es nie.

Der ehemalige SS-Hauptsturmführer Erich Steidtmann ist tot. Wie mehrere Zeitungen übereinstimmend vermelden, starb er am Sonntag in seinem Haus in Hannover-Langenhagen an einem Herzanfall. Steidtmann wurde 95 Jahre alt.

Aufgrund von Recherchen des Süddeutsche Zeitung Magazins ("Der lange Schatten der Schuld" Ausgabe vom 23.4.2010) und des Simon Wiesenthal Centers hatte die Staatsanwaltschaft Hannover im April diesen Jahres wieder Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Der Verdacht: Steidtmann soll als Hauptmann der Polizei 1943 an zwei Massenerschießungen von Juden im besetzen Polen beteiligt gewesen sein, insgesamt ging es dabei um mehr als 30.000 Tote.

Diese Ermittlungen sind mit seinem Tod, der noch nicht offiziell bestätigt wurde, hinfällig. Steidtmann wurde vom Simon-Wiesenthal-Center als einer der meist gesuchten Kriegsverbrecher weltweit geführt.

Der Fall Steidtmann war ein Kuriosum: Noch im Alter von 92 Jahren war Steidtmann 2007 gegen seine ehemalige Geliebte zu NS-Zeiten vor Gericht gezogen, weil er durch ihre Biographie seine Ehre als Offizier verletzt sah – obwohl er darin nur anonymisiert Erwähnung fand. Erst durch seine eigene Klageschrift und den folgenden Prozess brachte Steidtmann seine mögliche Verstrickung in NS-Greuel ins Licht der Öffentlichkeit.

sz-magazin.sueddeutsche.de