03.02.2010, 16:59
focus.de
Überlebender will mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher erkannt haben

Angaben zufolge soll ein russischer Überlebender des NS-Vernichtungslagers Sobibor den mutmaßlichen Kriegsverbrecher John Demjanjuk auf einem Foto erkannt haben. Sollte dies zutreffen, wäre Alexej Vaizen der erste Zeuge, der Demjanjuk identifizieren könnte.

Ein russischer Überlebender des NS-Vernichtungslagers Sobibor will den in München angeklagten mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk als ehemaligen Wächter in dem Lager erkannt haben. „Ich erinnere mich an ihn“, sagte der 87-jährige Alexej Vaizen am Mittwoch im tschechischen Rundfunk. Demnach hat er Demjanjuk auf einem Foto erkannt. „Er war ein Wachmann. Ich habe gesehen, wie er eine Gruppe von Gefangenen zum Arbeitseinsatz in einen Wald führte“, sagte Vaizen der Moskauer Korrenspondentin des öffentlichen Senders. „Ich erinnere mich an sie alle.“

Sollte die Erinnerung Vaizens zutreffen, wäre er der erste Zeuge, der Demjanjuk möglicherweise identifizieren und damit dem Prozess gegen ihn eine wichtige Wendung geben könnte. Der Leiter des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, sprach in dem tschechischen Sender von einer „großartigen Nachricht“, die nun allerdings überprüft werden müsse. Im Prozess gegen Demjanjuk in München haben zwei Sobidor-Überlebende ausgesagt, die aber keine konkrete Erinnerung an den Angeklagten haben.

Auf die Frage, ob er denn in München vor Gericht aussagen würde, reagierte der gebürtige ukrainische Jude Vaizen zurückhaltend. „Die brauchen mich dort nicht“, sagte er dem Sender. „Sie haben genügend Beweise gegen ihn.“ Der 87-Jährige gilt nach mehreren Herzinfarkten als gesundheitlich angeschlagen. Sein Haus in Riasan südöstlich von Moskau verlässt er offenbar kaum noch. Seinen Angaben zufolge wurde er 1942 nach Sobidor verschleppt und konnte Ende des darauffolgenden Jahres bei einem Lageraufstand fliehen. Seine ganze Familie habe er im Krieg verloren, sagte er in dem Radio-Interview.


Demjanjuk soll 1943 für ein halbes Jahr als Kriegsgefangener Wächter in Sobidor gewesen und sich in der Zeit der Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen schuldig gemacht haben. Er bestreitet die Vorwürfe. Zu den wichtigsten Beweisstücken gegen ihn zählen ein Dienstausweis und Verlegungslisten, nach denen Demjanjuk im März 1943 nach Sobibor kam und im Oktober ins KZ Flossenbürg verlegt wurde. Die Anklage ist von der Echtheit der Dokumente überzeugt. Der 89-jährige Demjanjuk steht seit November vor dem Landgericht München II. Er hatte jahrzehntelang in den USA gelebt und war nach einem langen Rechtsstreit im Mai vergangenen Jahres nach Deutschland gebracht worden.

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