02.12.2009 - 09:30 UHR
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Spielt er heute wieder den Kranken?
Von O. GROTHMANN

Der Kriegsverbrecherprozess gegen NS-Scherge John Ivan Demjanjuk: Heute will das Gericht weitere Zeugen vernehmen.

Spielt der 89-Jährige wieder den Todkranken im Gerichtssaal?

Schon gestern kauerte Demjanjuk noch theatralischer als am Vortag auf einer Trage liegend.

Als der Staatsanwalt seine Anklage verliest, ist im Gerichtssaal nur das Weinen der Holocaust-Überlebenden und Angehörigen zu hören.

NS-Scherge John Ivan Demjanjuk (89) schweigt weiter, die Augen geschlossen. Ohne Regung, ohne Reue.

Tag zwei im Kriegsverbrecherprozess gegen den mutmaßlichen Sobibor-Wachmann John Demjanjuk vor dem Landgericht München. Es ist eine Anklage des Grauens, die Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz vorträgt.

Lutz ist sicher: „Als bewaffneter Wachmann in dem Vernichtungslager hat der Angeklagte 1943 bereitwillig an der Ermordung von mindestens 27 900 Juden mitgewirkt.

Seine Beteiligung am Vernichtungsvorgang bestand insbesondere darin, dass er mit einem Gewehr bewaffnet das Entladen aus den Waggons, das Entkleiden und das Hineintreiben der Opfer in die Gaskammern begleitete.“

Der Staatsanwalt weiter: Demjanjuk habe geholfen, „aus niedrigen Beweggründen, grausam und heimtückisch Menschen zu töten, weil er selbst deren Tötung aus rasseideologischen Gründen wollte. Er wusste, dass der Zweck des Lagers die Vernichtung der dorthin transportierten Juden war“.

Demjanjuk hätte sich äußern können zu den schweren Vorwürfen, doch er schwieg. Stattdessen forderte sein Anwalt die Einstellung des Verfahrens. Unter anderem sei sein Mandant trotz angeblich schwerer Erkrankung zwangsweise aus den USA nach Deutschland gebracht worden. Befremdlich: Der Anwalt sprach sogar von einer „Zwangsdeportation“.

Dabei geht es Demjanjuk nach BILD-Informationen viel besser, als er im Saal vorspielt. Außerhalb der Verhandlung soll er mit einer Ärztin geflirtet und über seinen kaputten Rollstuhl geschimpft haben. Zudem soll er gestern zwei große Teller Nudeln gegessen und gesagt haben: „Das schmeckt mir.“

Heute wird der Prozess mit der Zeugenvernehmung fortgesetzt.

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