09. Oktober 2009, 19:45 Uhr spiegel.de
John Demjanjuk klagt in Karlsruhe

Der Fall John Demjanjuk beschäftigt nun auch das Bundesverfassungsgericht. Der Verteidiger des mutmaßlichen NS-Verbrechers will den Strafprozess wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen verhindern und eine Freilassung erwirken.

München - Der Verteidiger von John Demjanjuk hat am Freitag Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf einstweilige Anordnung auf den Weg gebracht. Ziel sei die Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des bestehenden Haftbefehls gegen den gebürtigen Ukrainer, sagte Rechtsanwalt Ulrich Busch. Es gebe keine deutsche Zuständigkeit für einen Prozess gegen Demjanjuk. Zudem müssten die siebeneinhalb Jahre angerechnet werden, die sein Mandant bereits in Israel inhaftiert gewesen sei. "Dann bleibt kein Tag mehr übrig für ihn zu verbüßen", so Busch weiter.

Die Staatsanwaltschaft München wirft Demjanjuk vor, als Wachmann 1943 im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen bei der Ermordung von mindestens 27.900 Juden in den Gaskammern geholfen zu haben.

Der Prozess gegen den 89-jährigen soll am 30. November wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden von Fällen vor dem Münchner Landgericht beginnen. Für das Verfahren sind vorerst 35 Tage bis zum 6. Mai 2010 angesetzt. Neun Angehörige der damals Ermordeten aus den USA, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland treten als Nebenkläger auf.

Hauptbeweismittel der Anklage ist ein SS-Dienstausweis mit der Nummer 1393. Zudem geht aus einer Liste von März 1943 hervor, dass Demjanjuk damals nach Sobibor verlegt wurde.

Demjanjuk bestreitet die Vorwürfe. Er sitzt seit seiner Abschiebung aus den USA im Mai in München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Ärzte erklärten ihn für verhandlungsfähig, wenn der Prozess höchstens drei Stunden täglich dauere.

Demjanjuk stand schon einmal wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Juden vor Gericht. 1988 wurde er in Israel zum Tode verurteilt. Er wurde für "Iwan den Schrecklichen" gehalten, ein im Vernichtungslager Treblinka für seine sadistischen Taten berüchtigter Aufseher. Nach neuen Beweisen hob das Oberste Gericht Israels das Todesurteil allerdings auf, und Demjanjuk kehrte in die USA zurück. Dort lebte bis zu seiner Abschiebung nach Deutschland.

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