08.10.2009, 10:58 focus.de
Mutmaßlicher KZ-Aufseher kommt vor Gericht
John Demjanjuk

Nach Justizangaben soll der Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Aufseher John Demjanjuk am 30. November 2009 beginnen. Die Staatsanwaltschaft legt dem 89-Jährigen Beihilfe zum Mord an 27.900 Menschen vorwiegend jüdischen Glaubens zur Last. Mit einem Urteil ist nicht vor Mai 2010 zu rechnen.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Wachmann John Demjanjuk beginnt nach Justizangaben am 30. November. Das Verfahren vor dem Schwurgericht des Landgerichts München II ist zunächst auf 35 Verhandlungstage angesetzt, wie die Behörden am Donnerstag mitteilten. Demnach ist mit einem Urteil nicht vor Mai 2010 zu rechnen.

Die Staatsanwaltschaft legt dem 89-Jährigen Beihilfe zum Mord an 27.900 Menschen vorwiegend jüdischen Glaubens zur Last. Konkret angeklagt ist er in 15 Fällen mit 9300 Todesopfern. Vor Gericht treten neun Angehörige von damals Ermordeten aus den USA, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland als Nebenkläger auf.

Die Anklage bezieht sich auf mutmaßliche Taten Demjanjuks als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen im Jahr 1943. Der Beschuldigte ist nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Zentrums der meistgesuchte Kriegsverbrecher. Er soll Kinder, Frauen und Männer in Gaskammern getrieben haben. Demjanjuk bestreitet, an den Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Er ist in einem Gutachten als verhandlungsfähig eingestuft worden. Die Ärzte haben jedoch empfohlen, die Verhandlungsdauer auf zwei Mal 90 Minuten pro Tag zu beschränken.

Das Verfahren dürfte einer der letzten großen Prozesse über Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus werden. Demjanjuk wurde Mitte Mai von den USA abgeschoben und sitzt seitdem im Münchner Gefängnis Stadelheim. Er leidet unter Nierenversagen, Blutarmut und hat Probleme mit der Wirbelsäule.

Demjanjuk stand schon einmal wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Juden vor Gericht: 1988 wurde er in Israel zum Tode verurteilt. Er wurde für „Iwan den Schrecklichen“ gehalten, einen im Vernichtungslager Treblinka für seine sadistischen Taten berüchtigter Aufseher. Nach neuen Beweisen hob das Oberste Gericht Israels das Todesurteil allerdings auf, und Demjanjuk kehrte in die USA zurück. Dort lebte er bis zu seiner Abschiebung nach Deutschland.

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