13.08.2009 05:00 Uhr sueddeutsche.de
Scheungraber kritisiert Urteil als "Schwindel"

Die Verteidiger des wegen zehnfachen Mordes verurteilten Ex-Leutnants Josef Scheungraber, 90, haben Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Das Fax ging nur wenige Stunden nach dem Urteilsspruch vom Dienstag bei der zuständigen Kammer des Landgerichts ein. Die Richter haben aufgrund der langen Verfahrensdauer bis Anfang November Zeit, das Urteil schriftlich niederzulegen. Nach Zustellung an die Anwälte haben diese vier Wochen Zeit, ihre Revision zu begründen. Der Strafsenat am BGH ist an keinerlei Fristen gebunden, da Scheungraber nicht in Haft ist und somit kein Beschleunigungsgebot gilt.

Josef Scheungraber kritisierte in der Sendung "Kontrovers" im Bayerischen Fernsehen das Urteil als "Schwindel und ein Saustall sondergleichen". Er beteuerte seine Unschuld: "Die können mich nicht einsperren. Weil der ganze Schmarrn verlogen und erstohlen ist." Zudem warf er seinen Richtern historische Unwissenheit vor: "Wenn ich mir diese Richter da droben anschaue, da war vor 65 Jahren noch keiner auf der Welt. Die sind ja alle erst 55. Was haben die für eine Ahnung vom Krieg, von Nationalsozialismus, vom Dritten Reich?"

Der in Ottobrunn lebende Scheungraber war 1944 als Kompanieführer in der Toskana eingesetzt. Nach Überzeugung des Gerichts gab er nach einem Partisanenangriff den Befehl zu einem Vergeltungsschlag. Am 27. Juni 1944 pferchten Soldaten seiner Kompanie in Falzano di Cortona elf Gefangene in ein Bauernhaus, das sie anschließend in die Luft sprengten. Nur ein 15-jähriger Bauernjunge überlebte das Massaker. Die Ermittlungen gegen Scheungraber begannen im Januar 2005. In der Gemeinde Ottobrunn, wo er als Ehrenkommandant der Feuerwehr und langjähriges Gemeinderatsmitglied hohe Wertschätzung genoss, wusste davon niemand etwas.

Im April 2005 wurde dem 90-Jährigen sogar noch die "Bürgermedaille" verliehen. Dazu ist das offizielle Ottobrunn am Mittwochabend aber bereits auf Distanz gegangen. Der sechsköpfige Ältestenrat ersucht den Gemeinderat nun einstimmig, diese Ehrung vorläufig zu suspendieren. Die Empfehlung im Wortlaut: "Die Rechte, die sich aus der Verleihung der Bürgermedaille an Herrn Josef Scheungraber für diesen ergeben, ruhen bis zu einem rechtskräftigen Urteil in dem anhängigen Strafverfahren." soy, alek, ddp

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