Der ehemalige
Wehrmachtsoffizier Josef Scheungraber ist wegen Mordes an
zehn italienischen Zivilisten zu lebenslanger Haft verurteilt
worden. Der heute 90-Jährige hatte nach Auffassung der
Münchner Schwurgerichtskammer im Juni 1944 den Befehl
gegeben, als Racheakt für einen Partisanenüberfall
ein Haus mitsamt unschuldigen Gefangenen in die Luft zu sprengen.
Anwälte kündigen Berufung an
Die Richter folgten mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Scheungrabers Anwälte kündigten Rechtsmittel
an. Sie hatten Freispruch verlangt. Scheungraber hat eine
Beteiligung an dem Massaker stets bestritten. Die Urteilsverkündung
verfolgte er ohne sichtbare Reaktion. Auf ein letztes Wort
hatte er verzichtet. Das Urteil wurde im Gerichtssaal mit
Beifall aufgenommen.
Bürgermedaille für seine "Verdienste"
Scheungraber, der den gesamten Prozess mürrisch verfolgt
hatte, ließ bei seinen wenigen Aussagen durchblicken,
dass er sich selbst als Opfer sieht. Er habe doch so viel
fürs Vaterland getan. Tatsächlich war Scheungraber
ein angesehener Bürger seiner Gemeinde Ottobrunn. Dort
führte er nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich seine
Schreinerei, saß im Gemeinderat, war Kommandant der
Freiwilligen Feuerwehr. 2005 verlieh ihm Ottobrunn in Anerkennung
seiner Verdienste die Bürgermedaille.
Scheungraber gab den Befehl
Scheungrabers Kompanie des Gebirgspionierbataillons 818 war
im Juni 1944 damit beschäftigt, eine Brücke zu
reparieren. Die Soldaten gerieten in einen Partisanenhinterhalt
- zwei wurden getötet, einer verwundet. Der diensthabende
Kompaniechef Scheungraber habe auf Divisionsebene um Sühnemaßnahmen
gebeten und dann als einziger anwesender Offizier den Befehl
zur Umsetzung gegeben, sagte der Vorsitzende Richter Manfred
Götzl. Dabei sollten männliche Personen egal
welchen Alters festgenommen und getötet werden.
Vier Männer wurden erschossen. Elf weitere Männer,
unter ihnen auch Jugendliche und Männer über 60
Jahre, wurden in ein vermintes Haus in dem Ort Falzano die
Cortona getrieben und in die Luft gesprengt. Nur ein 15-Jähriger überlebte.
Die Opfer hätten mit dem Tod der deutschen Soldaten
nichts zu tun gehabt. "Es handelte sich ausschließlich
um Zivilbevölkerung, um Bauern und Bauernsöhne
aus der Region, von denen nicht bekannt gewesen wäre,
dass sie Kontakt zu Partisanen hatten", sagte Götzl. "Bei
seinem Vorgehen kam es dem Angeklagten darauf an, seinen
Hass wegen des Todes seiner Soldaten abzureagieren und sich
zu rächen."
Hinterbliebene im Gerichtssaal
An der Urteilsverkündung nahmen auch Hinterbliebene
der Opfer und Bewohner des betroffenen Ortes teil. "Ich
bin sehr zufrieden", sagt Andrea Vignini, Bürgermeister
der Stadt Cortona, zu dem Falzano di Cortona gehört,
nach der Urteilsverkündung. Er sei ein "Wort der
Wahrheit und Gerechtigkeit".
Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz sprach von einem "Meilenstein" bei
der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen. Der Direktor des Jerusalemer
Büros des Wiesenthal Centers, Efraim Zuroff, unterstrich
in einer Mitteilung die Wichtigkeit derartiger Prozesse. "Das
heutige Urteil bestärkt die Sichtweise, dass der zeitliche
Abstand zur Tat in keiner Weise die Schuld der Täter
vermindert und dass das hohe Alter nicht dem rechtlichen
Schutz der Mörder dienen darf." In Italien war
Scheungraber schon 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft
verurteilt worden. Als deutscher Staatsbürger wurde
er zur Strafvollstreckung aber nicht ausgeliefert.
Im Herbst weitere Kriegsverbrecher-Prozesse
Im Herbst stehen in Deutschland zwei weitere Prozesse wegen
Nazi-Verbrechen an. In Aachen soll im Oktober das Verfahren
gegen einen 88-jährigen ehemaligen SS-Standartenführer
wegen Mordes an drei Niederländern beginnen. In München
soll der mutmaßliche Wachmann im Vernichtungslager
Sobibor, John Demjanjuk, wegen Beihilfe zum Mord an 27.900
Juden vor Gericht gestellt werden.
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