February 12,2009 suedkurier.de
  NS-Massenmörder Iwan Demjanjuk vor Auslieferung  
 

Iwan Demjanjuk, mutmaßlicher NS-Massenmörder, kann aus den USA ausgeliefert werden. Inzwischen sind NS-Fahnder einem weiteren Verdächtigen auf der Spur.

Ludwigsburg – Aribert Heim und Iwan John Demjanjuk – diese Namen sind verbunden mit Kriminalfällen der besonderen Art. Bei beiden handelt es sich um mutmaßliche Nazi-Verbrecher, um Massenmörder. Womöglich wird im Zusammenhang mit den Gräueln des Dritten Reichs bald ein weiterer Name genannt. Die deutsche Zentralstelle für Fahndung nach Nazi-Verbrechern in Ludwigsburg ist in den USA einem bisher unbekannten Verdächtigen auf der Spur.

Heim, der Arzt unter anderem im Konzentrationslager Mauthausen bestialisch gewütet haben soll, ist angeblich schon seit längerer Zeit tot. Völlig zweifelsfrei ist diese Nachricht nicht. Erst wenn er einen DNA-Beweis in der Hand habe, werde er hundertprozentig überzeugt vom Ableben des 1914 geborenen Heim sein. „Oder in 50 Jahren“, sagt Kurt Schrimm, der Oberstaatsanwalt, der die Zentralstelle leitet.

Mehr Glück haben die Fahnder mit dem gebürtigen Ukrainer Demjanjuk. Die Auslieferung des heute 88-Jährigen aus den USA rückt in greifbare Nähe. Das bayerische Landeskriminalamt (LKA), das den Dienstausweis des mutmaßlichen Massenmörders begutachtete, komme zu dem Schluss, das Dokument sei echt, erklärte der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Damit steht der Abschiebung nichts mehr im Weg. Dieser Dienstausweis ist ein Schlüsseldokument. Es bewahrte den einstigen Wachmann in den Vernichtungslagern Treblinka, Majdanek und Sobibor (Polen) vor der Todesstrafe. Diese wurde 1988 in Israel verhängt, weil „Iwan der Schreckliche“ an der Ermordung von mehr als 100 000 Juden beteiligt gewesen sein und gefoltert haben soll.

Fünf Jahre später wurde das Urteil wieder aufgehoben, weil der Dienstausweis dem Delinquenten nicht zweifelsfrei zugeordnet werden konnte. Demjanjuk kehrte in seine Wahlheimat USA zurück und lebt in Ohio.

Die Ludwigsburger Fahnder ließen nicht locker und sich nicht irritieren von Erklärungen wie der des Anwalts Demjanjuks. Dieser verbreitete die Version, der Dienstausweis sei eine Fälschung des sowjetischen Geheimdiensts KGB. Ein angeblicher Cousin des Verdächtigen wurde vergeblich ins Spiel gebracht. Auch der amerikanische Sonderermittler Eli Rosenbaum vom Office of Special Investigations (OSI) des US-Justizministeriums lässt sich von solchen Gerüchten nicht ins Bockshorn jagen. Der Ausweis sei „mit Sicherheit echt“. Das Papier sei „vielleicht das am meisten überprüfte Dokument in der Geschichte der Strafverfolgung“, sagte Rosenbaum in einem Interview Ende 2008.
Und weiter: „Wir sind mit Sicherheit bereit, ihn (Demjanjuk) schnellstmöglich loszuwerden“. Da dem Verdächtigen nach seiner Rückkehr aus Israel die US-Staatsbürgerschaft aberkannt wurde und er sämtliche Prozesse gegen eine mögliche Abschiebung verloren hat, könnte er nach Rosenbaums Ansicht auf ein entsprechendes Ersuchen aus Deutschland hin in „24 bis 48 Stunden“ in einem Flugzeug sitzen.

In ein solches steigt Anfang März mit Sicherheit Oberstaatsanwalt Schrimm. Das OSI hält Unterlagen für ihn bereit, mit welchen es offenbar einem Verdächtigen nachweisen kann, für das NS-Regimes gemordet zu haben. Der Fall ist kompliziert. Weil es sich um einen Mann handelt, der die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besitzt und seine Verbrechen im Ausland begangen hat, ist keine deutsche Staatsanwaltschaft für ihn zuständig. Folglich kann keine Anklage erhoben werden. Doch Kurt Schrimm ist zuversichtlich, dass der Bundesgerichtshof eine Möglichkeit findet, um den mutmaßlichen Mörder doch vor Gericht zu zitieren. Vor drei Jahren hatte er schon einmal einen solchen Fall: Einem ebenfalls in den USA lebenden, aus Osteuropa stammenden Verdächtigen wurden NS-Verbrechen nachgewiesen. Auch ihm wurde deswegen in seiner Wahlheimat die Staatsbürgerschaft aberkannt. Eine Auslieferung wäre nach einem entsprechenden Antrag kein Problem gewesen. Doch bevor der BGH tätig werden konnte, starb der Mann.

Bei Iwan John Demjanjuk ist es einfacher. Als sicher gilt, dass er ein „Trawniki“ war. Nach dem gleichnamigen Ort in der Nähe von Lublin (Polen) wurden osteuropäische Handlanger der SS genannt, die dort teilweise freiwillig, teilweise gezwungen für den Dienst in den Lagern gedrillt wurden. Eine Anklage in Deutschland ist möglich, weil unter 29 000 in Sobibor ermordeten Juden 1900 deutsche waren. Der Bundesgerichtshof benannte München als Gerichtsort, weil Demjanjuks letzter Aufenthaltsort in Deutschland nicht mehr zuverlässig ermittelt werden kann.

In München bereite man sich darauf vor, „sofort loszulegen“, sobald die LKA-Expertise schriftlich vorliege, erklärt Oberstaatsanwalt Winkler. Auch das US-Spezialdezernat OSI ist parat. Eli Rosenbaum: Die deutschen Fahnder, die er sehr schätze, „wissen, dass wir bereitstehen, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.“

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