Der von deutschen
Kriminalisten erneut analysierte Dienstausweis des mutmaßlichen
KZ-Aufsehers Iwan "John" Demjanjuk ist offenbar
echt - über die Frage, wie schnell der im US-Bundesstaat
Ohio lebende gebürtige Ukrainer vor ein deutsches Gericht
gestellt werden kann, streiten indes die Ermittler.
Der Dienstausweis mit der Nummer 1393, ein zentrales Beweisstück
in einem möglicherweise bald anstehenden Verfahren gegen
Iwan Demjanjuk, wurde in dieser Woche von Spezialisten des
Bayerischen Landeskriminalamtes untersucht. Die Analysen
weisen das Dokument als echt aus - zu diesem Ergebnis waren
zuvor schon amerikanische und israelische Spezialisten gekommen.
Dem 88-Jährigen wird vorgeworfen, als Wachmann aus
den Reihen der Trawniki, einer Schar von fremdvölkischen
SS-Gehilfen, im Vernichtungslager Sobibor an der Ermordung
von mindestens 29.000 Juden beteiligt gewesen zu sein, darunter
1900 deutschen Juden.
Auffälligkeiten auf dem Ausweis
Der Chef der US-Sonderermittlungsbehörde für NS-Verbrechen,
Eli Rosenbaum, war gemeinsam mit einem Historiker der Behörde
nach Deutschland gereist, um Demjanjuks SS-Dienstausweis
deutschen Experten zur Verfügung zu stellen. Das Dokument
ist internationales Archivgut und lagert normalerweise in
Washingtoner Tresoren.
Rosenbaum hatte sich zuvor befremdet darüber gezeigt,
dass in Deutschland immer noch Zweifel an der Echtheit des
Dokuments existierten. Angehörige des Bundeskriminalamtes
hatten im Umfeld eines früheren Verfahrens gegen Demjanjuk
in Israel 1987 Auffälligkeiten an dem Ausweis bemerkt.
Ein Gutachten über die Echtheit hatte es seinerzeit
vom BKA aber nicht gegeben.
Nach einem Treffen amerikanischer und deutscher Strafverfolger
in München am Donnerstag zeigten sich Teilnehmer zuversichtlich
darüber, dass entscheidende Hindernisse für einen
Prozess nun ausgeräumt seien - das Gespräch sei
einvernehmlich und in guter Atmosphäre verlaufen.
Wann der Weg für eine Überstellung Demjanjuks
endgültig frei ist, darüber sind sich indes deutsche
Stellen uneins. Die mit den Vorermittlungen befasste Zentrale
Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer
Verbrechen drängt zur Eile und warnt vor weiteren Verzögerungen
in dem international stark beachteten Fall. Die zuständige
Staatsanwaltschaft München I will dagegen zunächst
weitere Unterlagen einholen und noch lebende Zeugen in dem
Fall vernehmen (SPIEGEL 8/2009).
"Demjanjuk ist alt, jeder Tag zählt"
Im vergangenen Jahr hatten Ermittler der Zentralen Stelle
mit Hochdruck daran gearbeitet, das Vorermittlungsverfahren
gegen Demjanjuk fertigzustellen, um es nach München
abzugeben. Schon im Oktober (SPIEGEL 41/2008) schätzte
Behördenleiter Kurt Schrimm die Vorarbeit als "so
gut" ein, "dass die Kollegen nicht mehr viel nachzuarbeiten
haben". Man habe 17 Leitzordner gefüllt mit Dokumenten,
Gutachten und Zeugenaussagen nach München geschickt.
"Demjanjuk ist alt, jeder Tag zählt", mahnte
Schrimm. Jede zeitliche Verzögerung werde Deutschland
in die Kritik bringen. Die Münchener Justiz beharrt
indes auf weiteren gründlichen Recherchen, bevor sie
sich um eine Überstellung Demjanjuks bemüht. Sie
plant nach Ludwigsburger Angaben zunächst, internationale
Rechtshilfeersuchen in dem Fall zu stellen - eine möglicherweise
zeitintensive Vorarbeit. Mit ihr sollen aber laut Staatsanwaltschaft
mögliche Beweisprobleme schon vor einem Prozess ausgeräumt
werden.
Der Fall beschäftigt die internationalen Gerichte bereits
seit 30 Jahren. Demjanjuks Familie hat mehrfach erklärt,
der 88-jährige sei krank und könne sich nicht in
einem weiteren Verfahren verantworten.
spiegel.de
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