08. Februar 2009 faz.net
  Warum wurde Dr. Tod nie gefunden?
Von Michael Hanfeld
 
 

08. Februar 2009 Die Recherche der „New York Times“ und des ZDF, der zufolge der weltweit meistgesuchte NS-Kriegsverbrecher Aribert Heim, der 1941 als Arzt im KZ Mauthausen Hunderte von Häftlingen auf bestialische Weise ermordet haben soll, schon am 10. August 1992 in Kairo verstorben ist, wirft Fragen auf.

Und sie zieht Schuldzuweisungen nach sich. Warum wurde Heim nicht gefunden? Wie konnte er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum September 1962 unbehelligt in Deutschland leben und als Arzt praktizieren, zunächst im hessischen Friedberg und dann in Baden-Baden? Und wie vermochte er auf seiner Flucht dreißig Jahre lang unentdeckt in der ägyptischen Hauptstadt zu residieren? Was haben die Strafverfolger in Deutschland und Österreich - Heim wurde 1914 im steirischen Bad Radkersburg geboren - unternommen? Haben sie überhaupt etwas unternommen?

Wurde Heim vor der Festnahme gewarnt?

Efraim Zuroff präsentiert Recherchen über Aribert Heims Verbleib
In ihrer Fernsehdokumentation „Most Wanted Nazi“, die am Donnerstag im ZDF lief, stellen die Autoren Souad Mekhennet und Elmar Theveßen, die die Geschichte ins Rollen gebracht haben, zunächst fest, dass in den fünfziger Jahren ein österreichisches Auslieferungsverfahren an der Untätigkeit der deutschen Behörden gescheitert sei. „In Deutschland wird nicht nach Heim gefahndet, nur in Österreich bleibt man weiter dran“, heißt es in der Dokumentation.

Erst im September 1962 sei die deutsche Polizei aktiv geworden; da standen endlich Beamte vor Heims Tür, um einen österreichischen Haftbefehl zu vollstrecken. Doch war der berüchtigte KZ-Arzt offenbar gewarnt worden, er verschwand nur Stunden bevor die Strafverfolger bei ihm in Baden-Baden auftauchten.

„Ein wundervoller Ort für Nazis - ein Paradies, fast so wie Österreich“

Daraus aber den Schluss zu ziehen, wie ihn die Zeitung „Die Presse“ zur Überschrift machte „Vorwürfe gegen Deutschland, Lob für Österreich“, wäre eine groteske Verkennung der Lage. Schließlich stellt sich die Frage, ob nach Aribert Heim von Österreich aus nach dessen Flucht überhaupt noch aktiv gefahndet wurde. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, hat dazu eine ganz eindeutige Meinung: „Ich möchte klar festhalten: Österreich ist in dieser Causa so gut wie völlig untätig geblieben. Die Deutschen haben hingegen sehr hart an der Ergreifung Heims gearbeitet“, sagte Zuroff in einem Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. Die ägyptische Hauptstadt Kairo - wo der gesuchte Aribert Heim sich jahrzehntelang aufhielt - sei „ein wundervoller Ort für Nazis“, fuhr Zuroff fort, „ein Paradies, fast so wie Österreich.

Damit verwies Zuroff unter anderem auf den Umstand, dass sich beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg seit dem Jahr 2004 Zielfahnder mit der Suche nach Heim beschäftigten, in Österreich aber erst vor einem Jahr eine Prämie von 50.000 Euro auf die Ergreifung Heims und eines anderen NS-Verbrechers ausgesetzt worden war. Zudem lebt in Klagenfurt - ganz offen und von der Justiz unbehelligt - der 95 Jahre alte Milivoj Asner, der unter dem Ustascha-Regime in Kroatien schwerste Verbrechen begangen haben soll. Österreich weigert sich, ihn an Kroatien auszuliefern, weil er angeblich nicht verhandlungsfähig ist.

Fahndung über Interpol

Das österreichische Justizministerium wies Zuroffs Vorwürfe zurück. Die Behörden verfolgten prinzipiell jeden Hinweis auf Kriegsverbrecher, nur könne man derlei Ermittlungen nicht öffentlich machen, hieß es. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sei in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft in Linz tätig, man habe Kontakt zum Landeskriminalamt Baden-Württemberg und über Interpol zu ägyptischen Sicherheitsbehörden aufgenommen.

Es ist allerdings schon erstaunlich, dass diese Verbindungen erst jetzt hergestellt werden, da es sehr sicher ist, dass Heim seit langem tot ist. Und es ist verwunderlich, dass Reportern gelang, was Ermittlern aus Deutschland und dem Wiesenthal-Zentrum, das Aribert Heim noch vor einem halben Jahr in Chile wähnte, versagt blieb - den Verbleib des meistgesuchten NS-Verbrechers der Welt zu klären. Dass sich Heim in Kairo aufhielt, daran hat auch Efraim Zuroff keine Zweifel, wohl aber an dessen Tod. „Ich bezweifle nicht, dass er in Kairo gelebt hat, ich bezweifle nur, dass er dort gestorben ist.“ Es sei „nicht so unwahrscheinlich, dass Heim noch lebt.“ Man werde die Suche nach ihm fortsetzen. „Es ist noch nicht vorbei.“

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