07.01.2009 21:40 Uhr

sueddeutsche.de
  Mutmaßlicher SS-Mörder kommt nicht vor Gericht  
 

Das vor dem Aachener Landgericht geplante Verfahren gegen einen heute 87-jährigen mutmaßlichen SS-Mörder ist geplatzt. Ein Gutachten bescheinigt dem Mann dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit.


Der Prozess gegen einen mutmaßlichen SS-Mörder, der als Mitglied eines Killerkommandos drei Niederländer erschossen haben soll, kommt nicht zustande. Aus gesundheitlichen Gründen werde der 87-Jährige nicht vor Gericht gestellt, teilte das Landgericht Aachen am Mittwoch mit.

Nach einem medizinischen Gutachten sei er nicht in der Lage, als Angeklagter einem Prozess beizuwohnen. Die Verhandlung gegen den in Eschweiler bei Aachen lebenden Mann wäre einer der letzten Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland gewesen.

Die nordrhein-westfälische Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für NS- Verbrechen hatte gegen den mutmaßlichen Dreifachmörder Anklage erhoben. Demnach soll ihn das SS-Mordkommando "Feldmeijer" rekrutiert haben, um niederländische Untergrundkämpfer zu ermorden. Er soll 1944 in Breda, Voorschoten und Wassenaar bei Den Haag "aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch" drei Menschen getötet haben.

In Abwesenheit zum Tode verurteilt
Nach Einschätzung der Kammer wäre im Falle des Prozesses eine Verurteilung 64 Jahre nach Kriegsende wahrscheinlich gewesen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts sind Rechtsmittel möglich.

Das Simon Wiesenthal Center, das sich die Ahndung von Nazi- Verbrechen zur Aufgabe gemacht hat, äußerte „tiefste Frustration“ und Kritik an den deutschen Behörden. In einer Mitteilung erklärte Direktor Efraim Zuroff in Jerusalem: "Hätte sein Fall die nötige Aufmerksamkeit zum richtigen Zeitpunkt erhalten, wäre er ins Gefängnis gewandert, lange bevor er der Gerechtigkeit aus gesundheitlichen Gründen entkommen konnte."

Der in Eschweiler geborene Mann war den Gerichtsangaben zufolge 1945 von den Niederländern verhaftet worden. Zwei Jahre später floh er und tauchte unter. Ein Sondergericht in Amsterdam verurteilte ihn 1949 in Abwesenheit zum Tode; die Strafe wurde später in lebenslange Haft umgewandelt.

1954 kehrte der Mann laut Landgericht nach Eschweiler zurück und arbeitete als Bergmann. Ein Auslieferungsersuchen niederländischer Behörden von 1980 wies das Oberlandesgericht Köln ab, da seine Nationalität nicht eindeutig geklärt war und Deutsche damals nicht ausgeliefert werden durften. Ein Antrag des niederländischen Justizministeriums 2003, die lebenslange Haftstrafe in Deutschland zu vollstrecken, wurde vom Oberlandesgericht Köln 2007 abgewiesen. Der Beschuldigte sei in Amsterdam nicht in gebotener Weise verteidigt gewesen, erklärten die Richter.

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