Seit Mitte September
findet vor dem Landgericht München der wahrscheinlich
letzte NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland statt. Dabei
kann sich der Angeklagte, der ehemalige Gebirgsjäger
Josef Scheungraber, auf die tatkräftige Hilfe nicht
nur seiner alten Kameraden, sondern auch eines »militärhistorischen
Sachverständigen« der Bundeswehr stützen.
Der 90 Jahre alte Scheungraber ist angeklagt, im Sommer 1944
die Ermordung von 14 Zivilisten im italienischen Falzano angeordnet
zu haben. Er kann sich auf die vorbehaltlose Unterstützung
seines »Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.« verlassen.
Dieser zählt etwa 6000 Mitglieder, darunter 3000 ehemalige
Wehrmachtsoldaten und zahlreiche aktive und ehemalige Bundeswehrsoldaten.
Auch der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber gehört
zu seinen Mitgliedern. In diesem Verein treffen sich bis heute
Gebirgsjägerveteranen, die an Massakern in Griechenland
und an der Deportation der Athener Juden beteiligt waren. Diese
NS-Täter mussten sich bis heute nicht vor einem Gericht
verantworten. Scheungraber wäre daher der erste Gebirgsjäger,
der wegen NS-Kriegsverbrechen von einem deutschen Gericht verurteilt
würde. Eine Verurteilung wollen die Veteranen daher unter
allen Umständen verhindern. Für Scheungrabers Verteidigung
wurden deshalb drei Rechtsanwälte engagiert, die alle
einschlägig in rechtsradikale und rechtsextremistische
Strukturen verstrickt sind. Der prominenteste unter ihnen ist
der Rechtsanwalt Klaus Goebel, laut »Süddeutscher
Zeitung« Mitglied der Nazikriegsverbrecherhilfsorganisation »Stille
Hilfe«. Er verteidigte schon den NS-Täter Anton
Malloth und den britischen Auschwitz-Leugner David Irving.
Die erste Initiative dieser Rechtsanwälte war die Ladung
des Bundeswehroberst a. D. Klaus Hammel als »militärhistorischen
Sachverständigen«. Hammel ist auch nach seiner
Pensionierung in der Bundeswehr hochgeschätzt. Hammel
wirkt bis zum heutigen Tage an der Ausbildung von Soldaten
mit und gehörte schon mehrfach dem »Kompetenzteam« einer »Militärhistorischen
Geländebesprechung« an, bei der jedes Jahr Bundeswehrsoldaten
auf den Spuren des Ersten Weltkrieges durch die Dolomiten
wandern.
Hammel hat aber auch in der extremen Rechten einen guten
Namen. Er verteidigt die Ehre der deutschen Wehrmachtssoldaten
an allen Fronten. Dabei schreckt er auch nicht vor der Verharmlosung
des Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht zurück.
Hammel ist Mitautor des 1998 erschienenen Sammelbandes »Die
Soldaten der Wehrmacht«, einer Kampfschrift gegen die
Wehrmachtausstellung. Er versuchte darin nachzuweisen, dass
erst die »grausame Kriegsführung« der sowjetischen
Partisanen zu Übergriffen der Wehrmacht geführt
hätte. Hammel versteigt sich sogar zu der Aussage, dass »Maßnahmen« wie
die Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung oder
die »Vergeltungsmaßnahmen« bei der Partisanenbekämpfung »weniger
durch rassistische oder antisemitische Grundeinstellungen
gefördert« wurden, sondern sich »gegen die ›Träger
der jüdisch-bolschewistischen Idee‹« richteten.
Weiter verteidigt Hammel öffentlich den revisionistischen
General a. D. Gerd Schultze-Rhonhof, der die deutsche Kriegsschuld
im Zweiten Weltkrieg bestreitet.
Diese Sachverhalte führten nun auch zu einer kleinen
Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke. Sie will wissen, warum
ein Sympathisant des Geschichtsrevisionisten Schultze-Rhonhof
und Unterstützer von NS-Kriegsverbrechern immer noch
militärgeschichtliche Wanderungen für den Führungsnachwuchs
der Bundeswehr in den Dolomiten veranstalten darf. Die Antwort
der Bundesregierung darf man leider nicht mit Spannung erwarten.
Für das Verteidigungsministerium antwortet in der Regel
der zuständige Staatssekretär Christian Schmidt
(CSU). Auch er ist Mitglied im »Kameradenkreis der
Gebirgstruppe« und war 2007 offizieller Redner bei
dem Gebirgsjägertreffen in Mittenwald.
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