In dem kleinen
sächsischen Städtchen am Rande des Erzgebirges
laufen viele alte Menschen über das holprige Kopfsteinpflaster,
so dass der 87-jährige Algimantas Dailide nur denjenigen
auffällt, die seine Vergangenheit kennen. Dailide ist
einer der letzten noch lebenden Verbrecher des Zweiten Weltkrieges.
- Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem stellte ihn kürzlich
auf die Liste der zehn weltweit am meisten gesuchten NS-Kriegsverbrecher.
Dabei ist Dailide nicht schwer zu finden - er steht mit Adresse
im deutschen Telefonbuch.
Zuerst
Geheimpolizei,
dann USA
Algimantas
Dailide
war während
des Zweiten
Weltkrieges
Mitglied
der litauischen
Geheimpolizei "Saugumas" und
hat Juden
an die
Nazis
ausgeliefert.
Etwa 220
000 litauische
Juden
wurden
damals
ermordet.
1944 floh
der 23-jährige
Dailide
vor den
Russen,
heiratete
eine Deutsche
aus Greiz
in Thüringen.
1950 wanderte
das Paar
in die
USA aus
und bekam
zwei Söhne.
Die Familie
nahm die
amerikanische
Staatsbürgerschaft
an und
lebte
rund 40
Jahre
unbehelligt
in Cleveland,
Ohio.
Dailide
arbeitete
als Immobilien-Makler.
Nach der
Wende
wurden
1991 die
litauischen
Akten
aus den
Zeiten
der NS-Besatzung
des Landes
geöffnet.
Das amerikanische "Office
of Special
Investigations" (OSI),
eine US-Justizbehörde
zur Verfolgung
von NS-Kriegsverbrechern,
ermittelte.
2001 wurde
Dailide
die amerikanische
Staatsbürgerschaft
aberkannt,
weil er
bei seiner
Einwanderung
seine
Vergangenheit
verschwiegen
hatte.
Er floh
nach Toronto
und landete
schließlich
2004 im
sächsischen
Kirchberg,
wo ein
Cousin
seiner
Frau lebte.
Kurze
Zeit später
wurde
er in
Litauen
angeklagt,
2006 reiste
er freiwillig
zum Prozess
nach Vilnius.
Das Gericht
sprach
ihn schuldig,
zwei polnische
und zwölf
litauische
Juden
an die
Nazis
ausgeliefert
zu haben,
die kurz
darauf
vermutlich
in einem
Vernichtungslager
in einem
Waldgebiet
nahe Vilnius
ermordet
wurden.
Dailide
wurde
zu fünf
Jahren
Haft verurteilt.
Doch weil
er nach
Ansicht
des Gerichts
keine
große
Gefahr
mehr darstellte
und wegen
seiner
schlechten
Gesundheit
trat er
die Strafe
nicht
an.
Jeden
Morgen
gegen
zehn Uhr
verlässt
Dailide
forschen
Schrittes
das Haus,
um einzukaufen.
Bereitwillig öffnet
er die
Tür
seiner
Zwei-Zimmer-Wohnung.
An den
Wänden
hängen
Fotos
der acht
Enkel
und 13
Urenkel.
Auf dem
blauen
Sofa im
Wohnzimmer
liegen
bestickte
Kissen. "Who
needs
Santa
when you've
got grandma",
wer eine
Oma hat,
braucht
keinen
Weihnachtsmann.
Im Zimmer
nebenan
liegt
Dailides
Frau,
die an
Speiseröhrenkrebs
erkrankt
ist. Dailide
selbst
hat sich
vor zwei
Jahren
in Litauen
auf Wunsch
des Gerichts
einer
medizinischen
Untersuchung
unterzogen. "Ich
wollte,
dass man
mich frei
spricht",
sagt Dailide. "Wer
will schon
ins Gefängnis?" Er
leide
unter
Rückenschmerzen,
der Prostata,
Bluthochdruck
und Arthritis.
Dailide
erzählt,
wie er
1940 in
Litauen
von der
Schule
flog,
weil er
ein Lied
pfiff
und ein
Jahr später
der Geheimpolizei
beitrat.
Die hatte
nach Bewerbern
händeringend
gesucht. "Ich
unterschrieb
und bekam
einen
Bürojob",
sagt Dailide. "Ich
wusste
nicht
viel über
die Dinge,
die passierten.
Erst später
fand ich
es heraus." Dann
berichtet
er von
der Nacht,
in der
er laut
Gericht
die Juden
den Nazis übergab.
Er sei
zu einem
Einsatz
an den
Waldrand
gefahren
worden.
Passiert
sei aber
nichts. "Ich
ging nach
Hause
und am
anderen
Morgen
hieß es,
einige
Juden
seien
geflohen.
Deswegen
- und
wegen
einiger
anderer
Dinge
- haben
sie mich
angeklagt." Von
seiner
Schuld
will er
nichts
wissen.
Erst im
Nachhinein
habe er
alles
Lesbare über
den Holocaust
verschlungen.
2005,
damals
schon
in Deutschland,
bekam
Dailide
Besuch
von deutschen
Polizisten,
die ausrichteten,
er habe
sich für
eine Befragung
in Vilnius
einzufinden.
Trotz
der Beteuerung
seiner
Unschuld
lautete
das Urteil
des litauischen
Gerichts
ein Jahr
später,
Dailide
habe "an
der systematischen
Juden-Verfolgung
und dem
deutschen
Plan ihrer
Vernichtung
im besetzten
Litauen
teilgenommen".
In Israel
wurde
Dailides
Verurteilung
begrüßt.
Efraim
Zuroff,
Leiter
des Simon-Wiesenthal-Zentrums
in Jerusalem,
hat sich
mit der
2002 groß angelegten "Operation:
Last Chance" vorgenommen,
noch lebende
NS-Kriegsverbrecher
vor Gericht
zu bringen.
Umso größer
ist der
Aufschrei
jüdischer
Menschenrechtsorganisationen,
als bekannt
wird,
dass Dailide
seinen
Lebensabend
unbehelligt
in Deutschland
verbringt.
Das Recht
ist auf
Dailides
Seite
Zuroff
spricht
von einer
Farce. "Die
Litauer
warten,
bis die
Nazi-Verbrecher
alt werden.
Zwar haben
sie Gesetze
erlassen,
die es
den Behörden
ermöglichen,
Kriegsverbrecher
zu verhören
und zu
verurteilen
- aber
tatsächlich
war bisher
nicht
ein einziger
litauischer
NS-Kriegsverbrecher
auch nur
eine Minute
in Haft.
Kein Wunder,
dass Neonazis
durch
Vilnius
ziehen,
wenn in
einem
Land so
nachgiebig
mit NS-Verbrechern
umgegangen
wird." Zuroff
macht
auch der
deutschen
Regierung
schwere
Vorwürfe. "Warum
wird es
diesem
Mann erlaubt,
in Deutschland
zu leben?",
sagt Zuroff
empört.
Die Rechtslage
spricht
für
Dailide.
Solange
Litauen
keinen
Auslieferungsantrag
stellt,
gilt die
Freizügigkeitsregel
des Wohnsitzes,
für
Deutschland
besteht
kein Handlungsbedarf.
Ein und
dasselbe
Verbrechen
darf nur
einmal
bestraft
werden.
Wenn Litauen
auf eine
Strafe
verzichtet,
kann Deutschland
nicht
aktiv
werden.
So wird
Dailide
vermutlich
weiter
in Kirchberg
wohnen,
jeden
Morgen
gegen
zehn Uhr
einkaufen,
seine
Frau pflegen
und ab
und zu
ein Paket
seiner
Söhne
und Enkel
aus Amerika
in Empfang
nehmen.
Die Kirchberger
stören
sich nicht
daran. "Damals
hatten
doch alle
irgendwie
mit den
Nazis
zu tun,
das war
halt so",
sagt eine
Nachbarin. morgenpost.de
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