24. August 2008

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  Zum ersten Mal spricht sein Sohn Rüdiger Heim (52)
Von Burkhard UHLENBROICH
 
 

Aribert Heim ist der meistgesuchte wahrscheinlich noch lebende NS-Kriegsverbrecher. Er war der furchtbare Lagerarzt im KZ Mauthausen. Er spritzte Hunderte Häftlinge in den Tod.

Er flüchtete vor 46 Jahren aus Deutschland, zurück blieb sein Vermögen und seine Familie. In BamS spricht nun zum ersten Mal Aribert Heims Sohn Rüdiger (52): über die Verbrechen des Vaters, über seine Gefühle als Sohn eines Mörders und die 1,2 Millionen Euro auf einem Berliner Konto.

Es gibt keine heiße Spur, es gibt nur Fahndungsfotos aus den Jahren 1950 und 1959. Sie zeigen einen Mann mit schmalen Lippen, hoher Stirn und Geheimratsecken.

Die Haare streng zurückgekämmt, die Augen der Kamera abgewandt. Auf der rechten Wange hat der Mann eine Mensurnarbe (Schmiss). Es ist das Gesicht eines Massenmörders.

Dr. Aribert Heim, geboren 1914 in Bad Radkersburg, ist der meistgesuchte Nazi-Verbrecher der Welt. Ab 1941 soll er als Lagerarzt im Konzentrationslager Mauthausen (Oberösterreich) Hunderte von Häftlingen gefoltert und getötet haben.

„Sonderbehandlung“ nannte er das in der perfiden Totenliste des KZ, in der er alle seine Opfer aufgeführt hat.

Dr. Heim injizierte Häftlingen Benzin und Gift direkt ins Herz oder amputierte ihnen ohne Narkose ganze Körperteile, um zu sehen, wie viel Schmerz sie ertragen. All diese Teufelstaten protokollierte er bürokratisch korrekt in seinen Akten.

Seit seiner Flucht vor 46 Jahren gibt es von Heim nur diese Fahndungsfotos. Seit 46 Jahren suchen Geheimdienste und Polizisten aus der ganzen Welt (bis zur Wende sogar die Stasi) dieses Gesicht. Doch auch dieses Gesicht muss essen, wohnen, einkaufen, irgendwo leben. Alle Spuren, die die Polizei verfolgte, lösten sich in nichts auf. Wo ist Dr. Aribert Heim?

11 Uhr, an einem Vormittag im August dieses Jahres, in Baden-Baden: Der Reporter von BILD am SONNTAG klingelt am Eingangsportal einer Gründerzeit-Villa mit hochherrschaftlichem Park. Auf dem Anwesen leben Friedl Heim, die seit 1967 geschiedene Frau des SS-Arztes, und sein Sohn Rüdiger Heim (52). Mit ihm ist der Reporter verabredet.

„Sie sind pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk“, grüßt Heim. Er ist seinem Vater fast wie aus dem Gesicht geschnitten. Heims Sohn hat mittellange Haare und ist mit 1,90 Meter so groß wie sein Vater. Er trägt Brille, Jeans und T-Shirt.

Rüdiger Heim führt in die Villa, die die Eltern seiner Mutter 1952 kauften, und in der sein Vater, der gesuchte KZ-Arzt, von 1955 bis 1962 unbehelligt mit seiner Familie lebte. Wertvolle Antiquitäten, Ölgemälde an den bis zu vier Meter hohen Wänden, Stuckornamente an den Decken und auf Regalen und Beistelltischchen kleine Porzellanfiguren.

„Wir haben hier noch viele Stücke von unseren Großeltern mütterlicherseits“, sagt Heim, „die vor dem Zweiten Weltkrieg mit Immobilien viel Geld verdienten. Diese Immobilien sind der Grundstock unseres heutigen Vermögens.“

An einem Esstisch im Wohnzimmer nehmen wir Platz. In diesem Zimmer hat auch der KZ-Arzt gesessen. Als „normaler“ Familienvater mit Frau und zwei Söhnen. Nun sitzt Rüdiger Heim hier mit Aktenordnern voller Zeitungsberichten über die Jagd auf seinen Vater, dem Mann auf den Fahndungsfotos.

Herr Heim, wissen Sie wo Ihr Vater ist?

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