19. Juli 2008

fr-online.de
  Die Jagd nach "Dr. Tod"
VON WOLFGANG KUNATH
 
 

Seit Wochen sind ihm die Nazijäger vom Simon-Wiesenthal-Zentrum angeblich auf der Spur: Aribert Heim, auch als "Dr. Tod" bekannt. Nun haben sie Details ihrer Suche nach dem früheren KZ-Arzt veröffentlicht.

"Ich bin heute viel optimistischer, Heim zu finden, uns liegen wichtige Informationen von vertrauenswürdigen Leuten vor, die ihn in den letzten 45 Tagen gesehen haben", sagte Efraim Zuroff am Donnerstag (Ortszeit) vor Journalisten in Buenos Aires.

Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, das seit Jahrzehnten versteckte Nazis in aller Welt aufspürt, hatte zuvor die südchilenische Stadt Puerto Montt besucht. Dort lebt Heims uneheliche Tochter Waltraud Diharce. Allerdings traf er die 64-jährige Chemikerin nicht an; sie sei nach Österreich gereist. Außerdem war Zuroff im argentinischen Wintersportort Bariloche, der seit Jahrzehnten als Schlupfwinkel für alte Nazis berüchtigt ist. Er sei überzeugt, dass sich Heim irgendwo zwischen Puerto Montt und Bariloche versteckt halte, sagte Zuroff. Nähere Angaben über seine Informanten machte er nicht.

Der Nazi-Jäger hofft nun darauf, dass der 94-jährige Heim, der angeblich immer noch aufrecht gehen kann, jetzt unter Druck gerät und einen Fehler macht, der ihn verrät. Um das zu erreichen, will Zuroff in den Lokalzeitungen auf die Belohnung von 315 000 Euro hinweisen, die auf Heims Ergreifung ausgesetzt ist.

Auch die Ermittler in Deutschland, wo Heim per Haftbefehl gesucht wird, sind davon überzeugt, dass der ehemalige KZ-Arzt noch lebt. Schließlich haben seine drei Kinder Heims Zwei-Millionen-Euro-Vermögen in Deutschland nie beansprucht.

Aribert Heims Festnahme wäre ein spektakulärer Triumph für Zuroff, denn der ehemalige KZ-Arzt steht auf der Liste der weltweit gesuchten NS-Verbrecher an erster Stelle. Der 1914 in Österreich geborene Mediziner meldete sich freiwillig zur Waffen-SS und war in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Buchenwald und Mauthausen tätig.

Von allen Lagerärzten sei er "der schrecklichste" gewesen, sagten KZ-Häftlinge aus. Aus Sadismus soll er an Häftlingen medizinisch sinnlose Operationen vorgenommen haben. Hunderte von Juden starben, so die Aussage eines Revierschreibers, weil Heim ihnen Gifte ins Herz spritzte. Einem getöteten Häftling soll er Hautteile entnommen haben, um sie zu einen Lampenschirm für den Lagerkommandanten zu verarbeiten.

Heim sei 1,90 Meter groß, habe eine "kräftige sportliche Gestalt" sowie "Schuhgröße 47", und eine "Mensurnarbe verläuft quer zum rechten Mundwinkel, beinahe in V-Form" - so steht es im Fahndungsaufruf des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. "Er ist viel leichter zu finden als der Durchschnittsnazi, der, sagen wir, 1,78 Meter groß ist und keine Narbe hat", sagte Zuroff noch 2007 in einem Interview.

Dennoch ist Heims Lebenslauf eine einzige Kette von Misserfolgen der Fahnder geblieben - bis heute. "Dr. Tod" wurde zwar kurz vor Kriegsende von den US-Amerikanern festgenommen und im Kriegsgefangenenlager Ludwigsburg interniert. Doch während praktisch die gesamte Führung des Lagers Mauthausen in einem Prozess verurteilt und 1947 hingerichtet wurde, entkam Heim - was stets die Spekulation nährte, dass ihn die Amerikaner gedeckt und geschützt haben.

Der einstige KZ-Arzt begann ein bürgerliches Leben, heiratete, arbeitete als Mediziner im hessischen Friedberg und in Baden-Baden. Am 13. September 1962 - kurz vor der Vollstreckung eines Haftbefehls gegen ihn - verließ er überhastet die Villa in Baden-Baden und tauchte unter. Ägypten, Spanien, Uruguay, Argentinien - von überall erhielten die Fahnder seither immer wieder Hinweise auf den hageren Mann. Erwischt haben sie ihn bis heute nie.

fr-online.de