Das Simon-Wiesenthal-Zentrum
sucht den KZ-Arzt Aribert Heim seit Jahren. Jüngste
Spuren führen nach Südamerika. Dort läuft
nun die letzte große Fahndung nach dem NS-Verbrecher
Es riecht seltsam vertraut, ein bisschen nach Sonntagsbesuch
bei den Großeltern, nach Apfelkuchen und frisch gebrühtem
Kaffee. Frutillar ist eine von vielen deutschen Einwandererstädten
im Süden Chiles. Sie ist so typisch deutsch, wie es Städte
in Deutschland kaum noch sind. Gründerzeithäuser
und gepflegte Vorgärten säumen die Straßen.
Ein Holzschild an der Promenade fordert zu Ordnung und Sauberkeit
auf. Der Ort am Lago Llanquihue wäre die perfekte Kulisse
für einen deutschen Heimatfilm.
Doch
die Idylle
hat einen
Makel:
An den
perlblauen
Seen vor
schneebehangenen
Berggipfeln
haben
nach dem
Krieg
viele
Altnazis
eine neue
Heimat
gefunden.
Der SS-Hauptsturmführer
Erich
Priebke,
der Gauamtsleiter
für
Tirol
Friedrich
Lantschner,
der SS-Kommandant
Josef
Schwammberger
und der
NS-Geheimdienstagent
Reinhard
Kopps
lebten
in der
Gegend.
Und irgendwo
zwischen
der Kleinstadt
Puerto
Montt
in Chile
und der
Touristenhochburg
Bariloche
in Argentinien
soll immer
noch der
ehemalige
SS-Arzt
Aribert
Heim leben,
einer
der meistgesuchten
Nazi-Mörder,
der als "Schlächter
von Mauthausen" oder "Doktor
Tod" berüchtigt
war. Seit
46 Jahren
ist er
auf der
Flucht.
Er wäre
jetzt
ein alter
Mann:
94 Jahre.
Immer
wieder
konnte
er untertauchen,
stets
kamen
die Fahnder
zu spät.
Doch
nun wird
ein letzter
Versuch
unternommen,
ihn zu
finden.
Efraim
Zuroff
hat sich
auf den
Weg von
Jerusalem
nach Südamerika
gemacht,
um seine
Spur zu
verfolgen.
Zuroff
jagt seit
30 Jahren
Nazi-Verbrecher.
Er ist
der Leiter
des Wiesenthal-Zentrums,
das unter
seinem
Gründer
und Namensgeber
half,
einige
der schlimmsten
von Hitlers
Schergen
zu fangen.
Zuroff,
59 Jahre
alt und
promovierter
Historiker,
ist ein
erfolgreicher
Nazi-Jäger. "Operation
letzte
Chance" heißt
die Initiative,
mit der
er versucht,
die letzten
noch lebenden
Verbrecher
der Hitlerzeit
aufzuspüren.
404 Hitler-Getreue
stehen
auf der
Suchliste.
Heim steht
ganz oben.
Für
seine
Grausamkeit
berüchtigt,
gehört
er zu
den weltweit
meistgesuchten
Nazi-Verbrechern.
Als "Sonderbehandlung" bezeichnete
Aribert
Heim seine
Menschenexperimente:
Er injizierte
seinen
Opfern
Benzin
oder Gift
direkt
ins Herz
oder amputierte
ihnen
ohne Narkose
Körperteile,
um zu
sehen,
wie viel
Schmerz
sie ertragen.
Ein KZ-Insasse
will gesehen
haben,
wie Heim
einen
18-jährigen
Juden
tötete.
Der junge
Mann hatte
eine Entzündung
am Fuß.
Doch statt
diese
zu behandeln,
betäubte
und kastrierte
Heim ihn,
schnitt
seinen
Körper
auf und
entnahm
seine
Nieren.
Danach
trennte
er den
Kopf des
Mannes
ab und
kochte
diesen,
um ihn
in seinem
Büro
auszustellen.
Mit deutscher
Sorgfalt
hat der
SS-Arzt
viele
seiner
Schreckenstaten
akribisch
dokumentiert.
Zuroff
will deshalb
nur eines: "Heim
soll endlich
für
seine
Taten
vor Gericht
kommen." Unauffällig
in Grau
gekleidet,
sitzt
der Nazi-Jäger
im Foyer
des "Cristal
Palace
Hotels" in
Belgrano,
einem
der besseren
Stadtviertel
von Buenos
Aires.
Es ist
ungewöhnlich
warm für
einen
Wintermonat
in Buenos
Aires.
Zuroff
bestellt
grünen
Tee und
beginnt
zu erzählen.
Von der
Ignoranz
und Apathie,
die ihm
immer
wieder
auf seiner
Suche
begegnen,
und von
vielen
undurchsichtigen
Hinweisen.
Und schließlich
sagt er: "Ich
will Heim
fangen,
lebend,
und das
heißt
bald." Viel
Zeit bleibt
ihm nicht
mehr.
Vielleicht
ein, höchstens
zwei Jahre. "Ich
bete jeden
Tag, dass
Heim noch
lange
gesund
ist." Zuroff
lacht.
Er ist
kein verbissener
Schreibtischkämpfer.
Er sucht
Gerechtigkeit.
In Südamerika
glaubt
er seinem
Ziel näher
zu kommen.
Hier lebt
Heims
uneheliche
Tochter,
und Zuroff
ist überzeugt: "Sie
ist der
Schlüssel
zu ihm.
Sie deckt
ihn."
Waltraud
Diharce,
gebürtige
Boser,
lebt in
Puerto
Montt
und ist
mit Ivan,
einem
Geschäftsmann
verheiratet,
mit dem
sie drei
Kinder
hat. Vor
ihrem
Haus in
Puerto
Montt
hat Zuroff
vor wenigen
Tagen
im Regen
auf sie
im Auto
gewartet.
Doch die
Tür
blieb
verschlossen.
Die Tochter,
die in
ihren
60ern
ist, leugnet
jede Beziehung
zu Heim.
Ihre Tür
wird wohl
verschlossen
bleiben. "Ich
glaube,
sie hasst
uns",
sagt Zuroff.
Sie könne
keinen
Schritt
mehr wagen,
ohne beobachtet
zu werden.
Und das
sei gut
so.
Zuroff
legt mehrere
Fotos
auf den
Tisch.
Eines
zeigt
einen
alten
Mann.
So sehe
Heim heute
aus. Weiße
Haare,
eingefallene
Wangen,
hohe Stirn.
Nur sein
Markenzeichen,
die Mensurnarbe
auf der
rechten
Wange,
ist kaum
zu erkennen,
sie könnte
ihm wegoperiert
worden
sein.
Auffällig
ist der
SS-Mann
allemal:
Größe
1,90,
Schuhgröße
50. Zuroff
will möglichst
vielen
die Bilder
zeigen.
Irgendwer
muss ihn
kennen.
Er ist
sich sicher:
Heim muss
Helfer
haben.
Zu alt
sei er,
um allein
zu leben.
Doch
längst
sind es
nicht
mehr die
Nazikader,
die dem
Hitler-Schergen
Zuflucht
sichern.
Die meisten
braunen
Gesinnungsgenossen
sind inzwischen
selbst
tot. Ihre
Netzwerke,
wenn man
die losen
Seilschaften überhaupt
so nennen
kann,
haben
sich aufgelöst.
Es sind
ganz normale
Menschen,
die Heim
heute
helfen,
meint
Zuroff.
Die werden
für
ihre Hilfe
bezahlt,
gut bezahlt,
glaubt
er: "Mit
Geld kann
man Sicherheit
kaufen." Heims
Familie
in Chile
sei wohlhabend.
Um das
Schweigen
der Helfer
zu brechen,
muss deshalb
Geld fließen.
315 000
Euro Kopfgeld
sind auf
Heims
Festnahme
ausgesetzt.
Zuroff
wünschte,
es wäre
mehr.
Dann wäre
der Anreiz
noch größer.
Ein gutes
Lockmittel
wird tatsächlich
gebraucht.
Denn nicht
jeder
teilt
Zuroffs
Eifer,
Heim endlich
zu fassen.
Viele
der Deutschstämmigen
in der
Region
wollen
von den
Verbrechen
des Naziregimes
nichts
mehr hören.
Kurt Klocker
ist so
ein Mann.
Er führt
den Club
Alemán
in Frutillar.
Aribert
Heim kenne
er nicht,
sagt er.
Aber in
dieser
Gegend
lebe er
bestimmt
nicht.
Hier kenne
schließlich
jeder
jeden.
In seinem
Club herrscht
Ordnung.
Der Rasen
ist zentimeterhoch
getrimmt,
und die
Tische
sind frisch
gewischt.
Er verstehe
nicht,
dass man
Heim noch
suche,
sagt Klocker.
Die SS-Verbrechen
seien
Geschichte,
die Leute
in der
Gegend
interessiere
das nicht
mehr.
Heim sei
sicher
längst
tot. "Es
wird Zeit,
dass das
alles
aufhört",
sagt Klocker.
Ein 94-jähriger
Mann solle
in Ruhe
sterben
können. "Alter
ist kein
Freibrief",
sagt Zuroff,
nippt
an seinem
Tee und
lehnt
sich zurück.
Erst jetzt
ist seine
Kippa
im grauen
Haar zu
sehen. "Wir
dürfen
nicht
vergessen:
Heim ist
ein Massenmörder." Seine
Hände
liegen
in seinem
Schoß.
So sitzt
er, wenn
er wartet.
Und Warten
hat er
gelernt.
Schon
seit vier
Jahren
sucht
er einen
Mann,
von dem
gesagt
wird,
er sei
längst
tot. Denn
glaubt
man einem
israelischen
Offizier,
wurde
Heim schon
1982 in
Kanada
exekutiert.
Auch die
beiden
noch in
Deutschland
lebenden
Söhne
beteuern,
der Vater
sei tot.
Doch nach
ihrer
Version
ist Heim
Anfang
der 90er-Jahre
in Argentinien
eines
natürlichen
Todes
gestorben.
Zuroff
glaubt
keiner
dieser
Todesversionen. "Heim
lebt",
sagt er.
Beweise
hat er
zwar auch
nicht,
nur gute
Gründe.
So stießen
deutsche
Ermittler
vor gut
vier Jahren
auf ein
Konto
der Sparkasse
Berlin.
Kontostand:
1,2 Millionen
Euro.
Kontoinhaber:
Aribert
Heim.
Daneben
sind für
den Verschollenen
noch 800
000 Euro
in Wertpapieren
angelegt.
Wäre
er tot,
hätten
die Erben
das Vermögen
abrufen
können.
Nur eine
Sterbeurkunde
wäre
nötig.
Doch die
fehlt
bis heute.
Stattdessen
werden
die Gelder
von einem
Vermögensverwalter
gehütet.
Und es
wird noch
skurriler:
Ein Anwalt
arbeitet
noch für
Heim.
Beim Finanzamt
Berlin
ist ein
Steuerstreit
anhängig,
bei dem
es nicht
etwa darum
geht,
ob der
Altnazi
noch lebt,
sondern
nur, ob
er im
In- oder
Ausland
steuerrechtlich
ansässig
ist.
"Der
Fall Heim
ist sehr
merkwürdig",
sagt Zuroff.
Vier Städte
hat er
gerade
besucht,
Santiago
de Chile,
Puerto
Montt,
Bariloche
und jetzt
Buenos
Aires.
Jeden
Tag trifft
er Regierungsbeamte,
Informanten
und Journalisten. "Gute
Hinweise" habe
er bekommen.
In den
vergangenen
Tagen
sind allein
57 Anrufe
eingegangen.
Das Kopfgeld
zeigt
seine
Wirkung.
Vier Menschen
wollen
Heim in
den letzten
Wochen
gesehen
haben.
Doch wie
glaubwürdig
sie sind,
muss sich
noch zeigen.
Es ist
der alles
entscheidende
Hinweis,
den Zuroff
sucht.
Nach
dem Krieg
wäre
es ein
Leichtes
gewesen,
den KZ-Arzt
hinter
Gitter
zu bringen.
Unbehelligt
hat er
jahrelang
in Deutschland
gelebt.
So sicher
fühlte
er sich,
dass er
unter
richtigem
Namen
1949 als
Arzt in
Mannheim
arbeitete,
in den
50er-Jahren
dann in
Baden-Baden
eine Frauenarztpraxis
betrieb
und in
Berlin-Moabit
ein Haus
kaufte.
Erst als
1962 österreichische
Behörden
auf ihn
aufmerksam
machten,
wurde
ein Haftbefehl
erlassen.
Doch er
konnte
fliehen. "Irgendjemand
hat ihn
gewarnt",
glaubt
Zuroff.
Gelebt
hat Heim
in Ägypten,
Uruguay,
Kanada,
vielleicht
Spanien
und schließlich
Chile.
Immer
wieder
gab es
willige
Helfer.
Zuroff
schließt
nicht
aus, dass
Heim nach
dem Krieg
etwa ein
Spion
für
die Amerikaner
war und
in Ägypten
als Arzt
für
die dortige
Polizei
gearbeitet
hat. Er
möchte
Heims
Geschichte
gerne
weiterschreiben:
Heim,
2008,
in Chile
gefasst.
So soll
sie enden.
Zuroff
würde
von ihm
dann wissen
wollen,
wer ihm
bei seiner
Flucht
geholfen
hat: "Aber
das ist
dann nur
noch für
die Geschichtsbücher."
welt.de
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