18.06.2016 um 09:44 Uhr lz.de
Zentralrat der Juden lobt Urteil

Detmold/Berlin. In einer ersten Stellungnahme hat der Zentralrat der Juden in Deutschland das Urteil gegen den ehemaligen Auschwitz-Wachmann Hanning begrüßt. „Die Verurteilung SS-Mannes hat für die Opfer und ihre Angehörigen eine hohe Bedeutung“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats.

Allerdings könne das Urteil gegen Hanning die jahrzehntelangen Versäumnisse der deutschen Justiz nicht wiedergutmachen. Für die Auschwitz-Überlebenden sei es aber enorm wichtig, dass eine Form der späten Gerechtigkeit versucht werde. Fast alle würden bis heute an den Folgen der Misshandlungen leiden. „Kein Täter soll daher sagen können: Für mich ist es vorbei. Unserer Gesellschaft hat der Prozess noch einmal vor Augen geführt, wozu Menschen fähig sind und wohin Hetze gegen Minderheiten führen kann“, erklärte Schuster.

Auch das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem begrüßte das Urteil des Detmolder Landgerichts. Es reflektiere die entscheidende Rolle einzelner Personen auch ohne hohen Rang bei dem Massenmord, teilte der Leiter des Zentrums, Efraim Zuroff, mit. Ohne die Mitwirkung dieser Menschen hätte die Vernichtungsaktion in Auschwitz-Birkenau mit etwa 1,3 Millionen Menschen, darunter 1,1 Millionen Juden, nicht stattfinden können. Das 1977 gegründete Wiesenthal-Zentrum ist mit der weltweiten Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern und Kollaborateuren bekannt geworden. „Er hat die Strafe bekommen, die er verdient hat“, sagte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, in New York.

Matitjahu Kellig, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, lobte den Prozessverlauf und insbesondere das Vorgehen der Vorsitzenden Richterin Anke Grudda. „Historisch betrachtet war es endlich mal ein Prozess, der frei von juristischen Plänkeleien war und der sehr stringent durchgezogen worden ist“, sagte Kellig. Das Urteil sei „ein deutliches Zeichen“. Die Richterin habe die Bemessung des Strafmaßes „sehr klar“ begründet.“ Sie habe dem Angeklagten deutlich gemacht, dass er mit seiner Schuld leben müsse.

Es sei „wichtig, dass das Thema in der Öffentlichkeit besprochen wird“, sagte auch die Holocaust-Überlebende und Ehrenbürgerin der Stadt Lemgo, Karla Raveh (89). Die gebürtige Lemgoerin lebt heute in Israel. Von dort aus hatte sie sich regelmäßig von einer Bekannten per Post mit den neuesten Informationen vom Prozess in Detmold versorgen lassen. Jede Woche sei ein dicker Briefumschlag mit Zeitungsausschnitten zum Prozessverlauf in ihrem Briefkasten gelandet.

Als „Meilenstein in der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte in Deutschland“ wertet Detmolds Bürgermeister Rainer Heller den Prozess. Und weiter: „Auch wenn er Jahrzehnte zu spät geführt worden ist.“

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