18.09.2015 israelnetz.com
„Nazijäger“ Simon Wiesenthal wollte „maximale Gerechtigkeit“

Vor zehn Jahren starb Simon Wiesenthal. Er war die wichtigste Symbolfigur der Jagd nach NS-Verbrechern. Das Wiesenthal-Zentrum setzt seinen Kampf fort, auch wenn nur noch wenige der Vollstrecker des Holocausts am Leben sind.

Manchmal beneidet Nazi-Jäger Efraim Zuroff seinen großen Vorgänger, den legendären Simon Wiesenthal. „Er war aktiv, als die ‚großen Fische‘ unter den NS-Verbrechern noch am Leben waren – und er konnte sie jagen“, sagt Zuroff, der heute das Lebenswerk des berühmten KZ-Überlebenden fortsetzt. Vor zehn Jahren, am 20. September 2005, starb Wiesenthal im Alter von 96 Jahren. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang suchte der jüdische Architekt, selbst ein Zeuge des Holocausts, von Wien aus nach den Vollstreckern des Massenmords an den Juden.

„Er hat im Namen der Opfer maximale Gerechtigkeit gefordert, das war sein Motto“, sagt Zuroff, der das nach Wiesenthal benannte Zentrum in Jerusalem leitet. „Es ist ihm zu verdanken, dass bis heute Nazi-Verbrecher vor Gericht gestellt werden.“

Wiesenthal wurde 1908 in der Nähe von Lemberg (heute Ukraine) geboren. Gemeinsam mit seiner Frau überlebte er mehrere Konzentrationslager und wurde 1945 durch US-Truppen aus dem Lager Mauthausen in Österreich befreit. Die beiden verloren während des Holocausts 89 Familienmitglieder. „Danach hat er sein ganzes Leben der Jagd nach untergetauchten Nazis gewidmet“, sagt Zuroff.

Wiesenthal sei mit minimalen Mitteln in „schweren Zeiten“ aktiv gewesen. „Damals hat man in Deutschland kaum Nazi-Verbrecher vor Gericht gestellt. Heute hat sich die dortige Einstellung völlig geändert.“

Kommandant von Sobibor und Treblinka aufgespürt

Als spektakulärster Erfolg wird Wiesenthal die Entdeckung des NS-Verbrechers Adolf Eichmann zugeschrieben, der 1960 vom israelischen Geheimdienst Mossad aus Argentinien entführt und 1962 in Israel hingerichtet wurde. Doch Zuroff pocht auf Differenzierung: „Es war nicht Wiesenthal, der Eichmann gefangen hat, sondern der Mossad.“ Der Einzelkämpfer Wiesenthal habe zwar als Erster Informationen darüber gehabt, dass der NS-Verbrecher sich in dem südamerikanischen Land versteckt hält. „Aber er hatte nicht genug Geld, um selbst hinzufahren und ihn zu verfolgen.“

Wiesenthals größte Errungenschaft sei vielmehr das Aufspüren des österreichischen Lagerkommandanten der NS-Vernichtungslager Sobibor und Treblinka, Franz Stangl, 1967 in Brasilien. „Das war jemand, der für den Mord an mehr als einer Million Menschen verantwortlich war.“

Wiesenthal gründete 1947 das „Jüdische Dokumentationszentrum“ in Wien und arbeitete bis ins hohe Alter in seinem kleinen Büro. Über die Jahrzehnte legte er 6.000 Akten über mutmaßliche Täter und eine komplette SS-Führungsliste mit 90.000 Namen an. Seine Informationen übermittelte er an Geheimdienste und Regierungen in aller Welt.

Anerkennung erst im Alter

„Er wurde zum Symbol des Kampfes gegen NS-Verbrecher, zu einer Zeit, als es nicht populär war“, erklärt Zuroff. „Er hatte mit vielen Widerständen und Anfeindungen zu kämpfen.“ Der österreichische Kanzler Bruno Kreisky, selbst jüdischer Abstammung, nannte Wiesenthal etwa einen „Nestbeschmutzer“. „Er war in Österreich verhasst, sie wollten ihn sogar umbringen“, sagt Zuroff. 1982 explodierte vor Wiesenthals Haus eine Bombe, die Neonazis dort versteckt hatten.

„Erst im Alter hat Wiesenthal die Anerkennung bekommen, die er verdient hat“, meint sein Nachfolger. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt Wiesenthal allein 18 Doktorhüte aus aller Welt. Die nach ihm benannten Zentren in Jerusalem und Los Angeles fahnden weiter nach NS-Verbrechern, auch wenn es heute nur noch die „kleinen Fische“ sind, wie Zuroff zugibt. „Jeder, der an Kriegsverbrechen beteiligt war, muss vor Gericht gestellt werden“, betont er jedoch.

Nach dem Tod der letzten Nazi-Verbrecher werde er sich noch mehr dem Kampf gegen Holocaust -Leugner und Antisemiten widmen, sagt der energische 67-Jährige. „Wer gegen den Antisemitismus kämpft, dem wird leider nie die Arbeit ausgehen.“

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