13.02.2009 dasmagazin.ch
 
  «Natürlich bin ich frustriert»
Efraim Zuroff gehen langsam die Nazis aus.
Sacha Batthyany
 
 


Er kam 1948 zur Welt, drei Jahre, nachdem das Grauen in Europa zu Ende war. Efraim Zuroff, bekanntester Nazi-Jäger und Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, nimmt den Anruf persönlich entgegen, keine Sekretärin, keine Warteschlaufe, stattdessen seine tiefe Stimme: «Hören Sie, natürlich bin ich frustriert, schliesslich habe ich die letzten Jahre intensiv nach ihm gesucht.» Ihm, das ist Aribert Heim, Schlächter im Konzentrationslager Mauthausen, besser bekannt als «Doktor Tod». Noch 2007 vermutete ihn Zuroff «irgendwo in Patagonien», er war sich zu «95 Prozent sicher», sprach mit Heims Tochter Waltraud im September in Innsbruck, «ich dachte, wir wären ganz nah», nun wollen Recherchen der «New York Times» und des ZDF beweisen, dass Heim vor sechzehn Jahren gestorben sein soll. Nicht irgendwo in Patagonien. Sondern in Kairo an Krebs.

Herr Zuroff, war Ihre Arbeit sinnlos? «Hören Sie, wir haben es nicht geschafft, natürlich ist das ärgerlich. Ich frage mich, wer dem ZDF den entscheidenden Tipp gab.»

Im Brooklyn der Fünfzigerjahre wächst Zuroff wohlbehütet auf, die erste Berührung mit dem Holocaust findet vor dem Fernseher statt, Eichmann-Prozess, 1961. «Meine Mutter sagte mir: Schau dir das an, das ist wichtig», doch er verstand «kein Wort». Lieber malte er sich aus, wie es wäre, als Basketballprofi zu spielen, «der erste orthodoxe Jude in der NBA, das wollte ich werden.» Nach Punkten jagen statt nach Nazis.

Mit 23 zog er nach Israel, studierte jüdische Geschichte, arbeitete für das amerikanische Justizministerium, bis er 1978 Simon Wiesenthal begegnete und sich ihm anschloss. Seitdem sucht er nach Spuren, «wie ein Detektiv», die ihn zu den letzten überlebenden Nazi-Verbrechen führen sollen, hartnäckig, unerbittlich, sieben Tage die Woche. Aus Rache? «Aus Gerechtigkeit.»

Es war Zuroff, der herausfand, dass Dr. Josef Mengele in Brasilien gestorben war, und es ist Zuroff zu verdanken, dass SS-Oberscharführer Josef Schwammberger in Stuttgart verurteilt wurde. Obwohl er unter der «emotionalen Last» seiner Arbeit leide, spüre er «diese Verpflichtung zur Wahrheit», es sei «wie ein Drang», der ihm gelegentlich auch im Alltag in die Quere komme. «Schnappt mir jemand den Parkplatz vor der Nase weg, obwohl ich länger warte, kann ich wütend werden.»

Herr Zuroff, Heim ist tot, wen verfolgen Sie als Nächstes? «Sándor Kepiro, beteiligt am Massenmord an Zivilisten 1942 in Novi Sad. Er lebt heute in Budapest, läuft frei herum, dabei müsste er hinter Gitter.»

Warum jagen Sie überhaupt Nazis? «Weil ich Jude bin.»

Was machen Sie, wenn der Letzte tot ist? «Wir kämpfen gegen Antisemitismus und dagegen, dass die Geschichte verzerrt dargestellt wird. Gehen Sie in Länder wie Litauen, die Schulbücher sind voller Lügen.»

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